Wohl fast jeder Röthenbacher kann seine eigene kleine Geschichte erzählen, wenn es um den Bahnhof in Oberhäuser geht. Seit über 150 Jahren prägen die ankommende und abfahrende Züge das Leben in der Argentalgemeinde. Vor allem das von Kurt Ederer und Manfred Dötterl. Mehr als zwei Jahrzehnte war der Röthenbacher Bahnhof ihr Arbeitsplatz. Bis 1985 war der 82-jährige Ederer zuständig für alles rund um den Bahnhof. 'Ich habe Fahrkarten verkauft, war am Gepäckschalter und habe im Winter Schnee von den Weichen geräumt', erzählt er. Auch Manfred Dötterl war 44 Jahre im Dienst der Bahn, die letzten 28 war Röthenbach sein Arbeitsplatz.
Rund 40 Menschen waren bis 1974 am Röthenbacher Bahnhof beschäftigt. Heute schiebt nur doch ein Fahrdienstleiter Dienst. Und auch die Strecken, wohin die Züge fahren, hat sich verändert. Denn bis Anfang der 90er Jahre konnte man mit der Bahn von Röthenbach nach Weiler und Lindenberg fahren. 'Von hier bis nach Lindenberg gab es sieben Haltestellen', erinnert sich Dötterl.
Neben vielen kleinen und großen Geschichten rund um den Bahnhof, ist dem 74-Jährigen vor allem eine kuriose Geschichte im Gedächtnis geblieben: Ein Zug aus Weiler bremste nicht rechtzeitig am Bahnhof und fuhr in das Waschhäuschen der Bahnmitarbeiter. 'Dort saß gerade einer in der Badewanne, der erschrocken völlig nackt herausgerannt kam', erzählt Dötterl. Passiert sei jedoch nichts.
Während heute viele Strecken auf den Straßen zurückgelegt werden, war die Bahn früher das wichtigste Transportmittel und Röthenbach einer der wichtigsten Umschlagsplätze im Westallgäu. Ob Reisende, Tiere oder Pakete – es gab fast nichts, das nicht in den Waggons befördert wurde. 'Auch Hühner sind mit dem Zug transportiert worden', erinnert sich Ederer. Eines Tages sei vergessen worden, die Tiere über Nacht einzusperren, am nächsten Morgen waren sie dann alle weg. 'Der Fuchs hat sie alle geholt', sagt Ederer.
An Tiere im Zug erinnert sich auch Edith Reisch. 'Als ich ein Kind war, kamen Züge mit Zirkustiere an unserem Haus vorbei', erinnert sich die Seniorin. So nah, dass es ihr gelang dem Elefanten ein Stück Brot zuzuwerfen.
Heute führt nach dem Umbau des Bahnhofvorplatzes sogar der Radweg direkt an den Gleisen vorbei (wobei die Radler dazu aufgefordert werden, in diesem Bereich abzusteigen). Doch viele Jahre mussten Reisende eine Sperre passieren um auf den Bahnsteig zu gelangen. 'Derjenige, der dort die Tickets kontrolliert hat, wurde von vielen nur Sperrich genannt', sagt Ederer. Zehn Pfennig kostete es 1957 um auf den Röthenbacher Bahnsteig zu kommen. Eine einzige sogenannte Bahnsteigkarte hat Dötterl noch aufbewahrt.
Auch Werner Epple ist jahrelang mit dem Zug von Röthenbach an die Realschule gefahren. 'Immer wenn ich meine Fahrkarte vergessen habe, bin ich – wenn keiner geschaut hat – schnell über die Sperre gehüpft', erzählt der Rentner. Auch sonst war der Röthenbacher öfters am Bahnhof. 'Mein Vater hat dort gearbeitet und als Kind habe ich ihm immer die Brotzeit gebracht.' So hat das auch Edith Reisch erlebt: 'Vor allem das Schaltwerk war für uns toll, weil es dort immer so ölig roch.' (feß)