Nur wer sich der Todesangst stellt, kann wirklich leben. Diesen Gedanken vertrat Pater Anselm Grün in seinem ebenso eindringlichen wie aufwühlenden Vortrag 'Leben angesichts des Todes', mit dem er die Zuhörer im voll besetzten Stadtsaal fesselte – und bei dem er die Hospizbewegung als 'wichtigen Beitrag zur Kultur des Sterbens und des Lebens' würdigte. Der Hospizverein Kaufbeuren-Ostallgäu hatte den bekannten Buchautor zur Feier seines 15-jährigen Bestehens ins Allgäu geholt und sich damit selbst das 'schönste Geburtstagsgeschenk' (so Vorsitzender Andreas Knie) gemacht.
'Begegnung mit Gott'
Die Todesangst, meinte der Pater aus Münsterschwarzach bei Würzburg, gehört zum Menschen und sollte nicht verdrängt werden. Denn sie lädt ein, 'jetzt im Augenblick zu leben' und sich zu überlegen, welche 'Lebensspuren' man eingraben will. Für Anselm Grün ist der Tod eine 'Begegnung mit Gott', die nichts mit den 'Angst machenden Bildern' von Gericht, Fegefeuer und Hölle zu tun hat. So kämen die Verstorbenen nicht vor ein Gericht, sondern würden auf Gott hin ausgerichtet und im Purgatorium durch die Liebe Gottes gereinigt.
Der Pater schilderte drei Bilder aus der Sterbebegleitung des Mittelalters, die die Angst vor dem Tod nehmen sollen: zum einen die durch die Vorverstorbenen bereits 'gerichtete Wohnung' mit der Hoffnung auf ein Wiedersehen. Zum anderen den 'Chor der Engel', der alle Sterbenden begleitet – egal, ob sie beim Abschied Menschen um sich haben oder nicht. Und schließlich die Pieta, die auf 'Gottes mütterliche Arme' verweist, die die Verstorbenen empfangen.
Anselm Grün wünschte sich eine Kultur des Sterbens, in der die wesentlichen Dinge, darunter das Sterben selbst, offen angesprochen werden können - wenn vom Betroffenen gewünscht. Hilfreich seien zudem Rituale wie die Krankensalbung, die Anteil an den eigenen Wurzeln geben.
Aber auch den Hinterbliebenen helfen Rituale. Sie sollten deshalb nicht alles dem Beerdigungsinstitut überlassen, sondern 'ihrer Trauer Heimat geben' und in Ruhe Abschied nehmen, betonte er. Das Ziel der Trauer sei Loslassen und eine neue Beziehung zum Verstorbenen einzugehen. Werde die Trauer verweigert, könnten die Menschen innerlich erstarren, meinte der Pater und betonte: 'Wenn Sterben und Leid nicht mehr sein dürfen, wird die Gesellschaft brutal.'
Grün, der sich nach dem Vortrag noch Zeit für Fragen und das Signieren seiner Bücher nahm, würdigte die Mitarbeiter der Hospizbewegung, die 'die Welt ein Stück verändert' hätten.
'Erfolgreiche Bürgerinitiative'
Für Andreas Knie ist die Bewegung die erfolgreichste flächendeckende Bürgerinitiative Deutschlands. Sie entstand in den 80er und 90er Jahren aus der Bevölkerung heraus, um das Sterben wieder in die Mitte der Gemeinschaft zu bringen. Die ehrenamtlichen, speziell ausgebildeten Mitarbeiter brächten den Sterbenden Echtheit, Empathie und uneingeschränkte Wertschätzung entgegen, so Knie. Und sie machten den Sterbenden ein 'großes Geschenk': Zeit – für Gespräche, Fragen, Begleitung.