Er scheint lange herbeigesehnt zu sein. Jedenfalls flammt die Freude über seine Ankunft mächtig auf. Wie eine wärmende Sonne, wie ein strahlendes Glücksgefühl: Erfrischend temperamentvoll begrüßt Susanne Meyer den Frühling, hinreißend leidenschaftlich schickt sie die Jubeltöne ins Zuschauerrund, mit denen Hugo Wolf Eduard Mörikes Gedicht 'Er ist’s' in Klänge gefasst hat.
Mit romantischen Liedern deutscher Komponisten stellt sich die Stuttgarter Sopranistin in der Sonthofer Kultur-Werkstatt vor, einfühlsam und akzentuiert begleitet von ihrem Mann Mario Kay Ocker am Klavier. Das Haus will dabei als 'Sprungbrett' für ein junges Talent dienen, erläutert Leiterin Monika Bestle. Deshalb steht an diesem Abend nicht wie sonst so oft Kleinkunst, sondern Klassik auf dem Programm. Eine Sparte, für welche die Möglichkeiten des Hauses nicht immer optimal erscheinen. Susanne Meyers Stimme jedenfalls könnte ganz andere Räume füllen.
Deutliche Artikulation
Potenzial bietet die Stimme der 24-Jährigen aber nicht nur in puncto Volumen. Auch im Vortrag stecken viele Möglichkeiten. Zum einen fällt die außerordentlich deutliche Artikulation auf. Fast jedes Wort der Liedtexte ist leicht zu verstehen, eine Seltenheit in der heutigen Klassikszene. Zum anderen bezaubert die charmante Präsentation des Inhalts. Fast alle Texte erzählen von den glücklichen oder schmerzlichen Momenten der Liebe, den kleinen oder großen Leidenschaften, und alle diese Verse werden mit Augenzwinkern und Anteilnahme vermittelt. So erhält etwa der Lobpreis 'An Silvia' von Franz Schubert eine wohltuend ironische Note.
Außerdem beweist Susanne Meyer ein sicheres Gespür, den dramatischen Gehalt einer Situation zu erfassen und glaubhaft auszufüllen. Das scheint die Sängerin für die Bühne zu prädestinieren. So werden viele Lieder wirklich zu anschaulichen kleinen Theaterszenen.
Ausbaufähig bleibt die musikalische Gestaltung. Nicht alle der Schubert-Lieder etwa, die Meyer für das Programm ausgewählt hat, scheinen ihrer Stimme zu liegen. Nicht immer ist die Intonation – auch bei manchem Brahms- und Wolf-Lied – sicher. Doch Susanne Meyer studiert ja noch, besucht Meisterkurse – etwa beim Musiksommer –, um ihre Technik zu vervollkommnen. Und manches wirkt schon ziemlich überzeugend. So gelingt ihr beispielsweise ein recht beredtes Plädoyer für den Liedkomponisten Max Reger.
Wer hätte geglaubt, dass der von Bach und Brahms zu komplexen Werken inspirierte Bayer auch so charmante Kleinode zu komponieren wusste?