Als Wolfgang Heichele Mitte der 1980er Jahre nach Kempten kam und Leiter der Sing- und Musikschule wurde, hat der begeisterte Sänger und Chorleiter etwas vermisst: ein kleines wendiges A-Cappella-Ensemble, mit dem man - so Heichele - "spezielle Dinge" machen konnte. Also gründete er das "Collegium Vocale", das schnell zu einem der ambitioniertesten Chöre Kemptens wurde. Das war vor genau 20 Jahren. Am kommenden Samstag, 28. Mai, wird im Schönen Saal der Schule das Jubiläum gefeiert. Im Mittelpunkt des Konzerts steht eine Uraufführung der Kemptener Komponistin Eva Barath.
18 Sänger zählt Heicheles Collegium heute. Es widmet sich anspruchsvollen, weltlichen und geistlichen Werken aus allen Stilrichtungen und unterschiedlichen Epochen. "Sehr gut liegt uns die Romantik und die gemäßigte Moderne", sagt Heichele. Besonders gerne nahm er Werke von Hugo Distler und Harald Genzmer auf. Keine Berührungsängste haben Heichele und seine Sänger mit der Unterhaltungsmusik, vor allem mit Musicals.
Das Ensemble hat sich personell gesehen über die zwei Jahrzehnte hinweg immer wieder verändert. Nur zwei Gründungsmitglieder sind noch dabei: die Altistin Heidi Emmert und der Tenor Richard Waldmüller. Nachwuchsmangel wie andere Chöre habe er aber nie gehabt. Entweder er hatte Anfragen von ambitionierten Sängern, so Heichele. Oder er sprach gezielt Absolventen seines Jugendchores an.
Für das Jubiläumskonzert wollte der Chorleiter etwas Besonderes haben und bat die Musikschul-Lehrerin und Komponistin Eva Barath um ein A-Cappella-Stück. Als Vorlage wählte sie ein Gedicht von Nelly Sachs mit dem Titel "Melusine". Ein rätselhafter, geheimnisvoller Text, ein Spiel mit Realem und Surrealem. Das habe sie gebraucht, sagt Barath, um über die Monate des Komponierens hinweg gefesselt zu bleiben. Nun legte sie ein rund achtminütiges Werk vor. "Anspruchsvoll und abwechlsungsreich", wie Wolfgang Heichele lobt. Barath, die er sehr schätzt, verlangt so ziemlich alle Techniken der zeitgenössischen Vokalmusik: Worte werden auseinandergenommen und in Laute verwandelt, es wird nicht nur gesungen, sondern auch gesprochen, geflüstert, geseufzt. Außerdem arbeitete Barath Ausschnitte aus einem Gedicht von Velimir Shlebkov ein.
Das Konzert am Samstag, 28. Mai, in der Musikschule beginnt um 20 Uhr. Auf dem Programm stehen neben der Uraufführung von "Melusine" Madrigale aus Renaissance und Barock sowie Werke von E. Elgar (Vier Lieder aus dem Zyklus "From the Bavarian Highlands") und F. Loewe (Musical-Querschnitt aus "My Fair Lady"). Zudem spielen Solisten und Ensemble der Musikschule. Karten im Sekretariat, Tel. 0831/70 49 65-60.
Wolfgang Heichele
Eva Barath