Werner Bauer kennt seine Heimat fast so gut wie seine Westentasche. Nicht nur seine langjährige berufliche Tätigkeit als Gebietsverkaufsleiter eines Lebensmittel-Großhändlers führte ihn quer durchs Allgäu, auch sein Hobby ermöglichte ihm unvergessliche und außergewöhnliche Blicke auf die Landschaft zwischen dem Bodensee und den Königsschlössern. Seit er mit 14 Jahren zum ersten Mal mit dem Segelfliegen in Berührung kam, hat ihn die Faszination des motor- und lautlosen Gleitens nicht mehr losgelassen.
Im Mai 1955 stieg der damals 14-Jährige in Kempten-Durach zum ersten Mal in ein Cockpit und blieb zusammen mit seinem Fluglehrer Albert Kugel sechs Minuten lang in der Luft. Bis zu seinem ersten Alleinflug dauerte es allerdings noch einige Zeit. 'Ich musste warten bis ich 18 Jahre alt war, denn meine Mutter war in dieser Hinsicht ziemlich ängstlich', erinnert sich der heute 70-Jährige. Im Mai 1959 hob er schließlich am Segelfluggelände im Westallgäuer Schönau zu seinem ersten Soloflug ab. 'Damals machte man als Flugschüler vielleicht ein bis zwei Starts pro Flugtag – heute sind es locker bis zu fünf oder sechs', sagt Bauer.
Nicht nur die Anzahl der Tagesstarts ging in den vergangenen 50 Jahren rasant nach oben, auch die Preise für ein Segelflugzeug explodierten förmlich. Etwa 10 000 Mark kombiniert mit einer hohen Eigenleistung musste man Mitte der 1950er- Jahre für den Bau eines Segelflugzeugs berappen. 'Heutzutage ist man im Spitzensegment inklusive Anhänger durchaus 250 000 Euro los', sagt Werner Bauer. Wo heute ultraleichte Carbonfasern dominieren, waren vor einem halben Jahrhundert noch Holz, Metall sowie zellulierter und lackierter Baumwollstoff als Bespannung gefragt. 'Etwa 500 Kilogramm bringt ein moderner Einsitzer auf die Waage', so Bauer, der von 1969 bis 1999 30 Jahre lang 2. Vorsitzender und anschließend bis 2007 1. Vorsitzender der in Lindenberg beheimateten Westallgäuer Luftsportgruppe (WLG) war.
Zusammen mit seinem Freund Frieder Beyer, dem ehemaligen Geschäftsführer von Liebherr Aerospace Lindenberg, war Bauer stolzer Besitzer eines eigenen Segelflugzeugs und konnte sich deshalb ausgiebiger mit dem Fliegen beschäftigen, als dies bei einem vereinseigenen Fluggerät möglich gewesen wäre. Bauers bisherige 2400 Flugstunden und unfallfreie 2350 Starts haben ihn nicht nur bis auf 7620 Meter über Meereshöhe geführt (mit Sauerstoff über dem Aostatal in Norditalien), sondern ihm auch einen knapp siebenstündigen Langstreckenflug über 500 Kilometer beschert.
'Die Flugzeuge sind heutzutage wesentlich schneller geworden. Damals schaffte man vielleicht 150 Kilometer pro Stunde in der Spitze, jetzt kommt man auf etwa 270 Kilometer pro Stunde', rechnet Bauer vor.
Jährlich muss sich der Rentner einem Gesundheits-Check unterziehen, der ihm für ein weiteres Jahr die Flugtauglichkeit bescheinigt. Bauer: 'Immerhin erlebst du bei einem Windenstart eine Beschleunigung, wie bei einem Formel-1-Boliden, und die Faszination des lautlosen Gleitens zieht mich nach wie vor in ihren Bann.'