'Jetzt kann nur noch der Tod uns trennen, das wissen wir, und deshalb warten wir auf ihn wie auf einen Befreier.' August Strindbergs 'Totentanz' zeigt ein Ehepaar am Ende. Zwei Menschen, die sich vielleicht einmal geliebt haben, bringen sich nur noch Hass entgegen und haben sich von der Außenwelt abgekapselt. Der österreichische Regisseur Oliver Karbus inszeniert das 1901 veröffentlichte Drama am Theater in Kempten (TiK). Der 55-Jährige hatte bereits in der vergangenen Spielzeit Horváths 'Kasimir und Karoline' in Kempten auf die Bühne gebracht. Wir sprachen mit dem Regisseur über die TiK-Eigenproduktion, die am Samstag, 11. Februar, im Großen Haus Premiere feiert.
Herr Karbus, Strindbergs 'Totentanz' gilt als Urmutter aller Ehedramen. Edgar und Alice sind fast 25 Jahre miteinander verheiratet und haben sich im Grunde nichts mehr zu sagen. Mehr noch, sie schlagen sich mit Worten. Eine todtraurige Geschichte, vielleicht für einige von uns sogar mit großem Wiedererkennungswert. Hand aufs Herz, ist das nicht eine sterbenslangweilige Sache?
Karbus: (lacht) Ja, was das Thema anbelangt, da haben Sie vielleicht recht. Aber wir haben es ja mit einem Autor vom Schlage eines August Strindberg zu tun. Ich finde es immer wieder verblüffend, wie unwahrscheinlich gut sein Text ist. Bei aller Tragik ist er auch komisch. Ich musste jedenfalls immer auch viel lachen. Und er hat mich als Österreicher natürlich sehr an Thomas Bernhard erinnert, mit dieser unglaublichen Leidenschaft und Lust, dem Grauen ins Herz zu schauen.
Was ist für Sie der Kern des Dramas?
Karbus: Es ist nicht nur die Geschichte einer zerrütteten Ehe, sondern eigentlich die Geschichte des Sterbens. Da ist dieser Edgar, im Grunde ein Tyrann, der vor Kraft strotzt, am Ende aber nur noch ein Häuflein Elend darstellt, das vor Todesangst stirbt. Strindberg wirft dabei einen fast liebevollen Blick auf das Sterben. Das heißt, im Text gibt es immer wieder die Frage nach der Vermeidbarkeit des Ganzen. Chancen bieten sich, sie werden aber nicht wahrgenommen. Das Schweigen spielt im 'Totentanz' eine wichtige Rolle.
Das Drama besteht eigentlich aus zwei Teilen: Im ersten wird das Ehepaar Edgar und Alice vom Jugendfreund Kurt besucht. Im zweiten Teil kommen die Kinder des Ehepaars hinzu …
Karbus: Ja, aber das hat mich nicht mehr interessiert. Die Geschichte mit den Kindern erzählt nicht wirklich etwas Neues. Wirklich spannend hingegen ist, wie Kurt nach fünfzehn Jahren die beiden kaum wiedererkennt und umgehend in deren Ehekrieg verstrickt wird. Deshalb wird an den Theatern meist auch nur der erste Teil gespielt. Ich habe allerdings noch den Schluss des zweiten Teils hinzugenommen, den Tod Edgars also. Denn damit wird der Titel des Stücks wieder mit Sinn erfüllt.
Strindbergs Sprache ist ungemein elegant, pointiert, lebensweise und manchmal auch richtig theatralisch …
Karbus: Ja, es gibt viele pathosschwangere Sätze. Manchmal wird von den Personen auch ironisiert, wohl wissend, dass es die Wahrheit ist. Der Originaltext ist für mich wie eine Partitur. Aus verschiedenen Übersetzungen und dem schwedischen Original habe ich daher eine eigene Textfassung erstellt, auch um dem Kern der Sache noch mehr literarisches Gewicht zu verleihen.
Der 'Totentanz' spielt auf einer Insel in einem Festungsturm. Haben Sie beim Handlungsort auch Veränderungen, etwa Modernisierungen, vorgenommen?
Karbus: Nein. Denn wenn man etwas anders macht, hat es nur Sinn, wenn dadurch etwas stärker wird. Ich finde die Idee eines runden Turms als Ort für das Stück optimal. Da gibt es Schlitze im Gemäuer, aus denen man sehen kann, entweder aufs Meer oder in die andere Richtung, in der ja ein großes Fest stattfindet, von dem Edgar und Alice ausgeschlossen sind. Im Grunde ist dieser Turm für die Personen wie ein Gefängnis, aus dem sie nicht mehr lebend hinauskommen.
Infos zur Inszenierung: Regie: Oliver Karbus Dramaturgie: Nikola Stadelmann Bühne: Klaus Gasperi Kostüme: Dorothée von Rosenberg Lipinsky Licht: Günther Schweikart Darsteller: Harro Korn (Edgar), Patricia Litten (Alice), Richard Aigner (Kurt)
Termine: Theatercafé unter anderem mit dem Regisseur Oliver Karbus und Theaterchefin und Dramaturgin Nikola Stadelmann am Sonntag, 5. Februar (11 Uhr, Theater-Oben). Aufführungen: 11. Februar (19 Uhr, Premiere; Einführung um 18.15 Uhr im Theater-Oben, Eintritt frei), 12. Februar (16 Uhr), 1. und 2. März (jeweils 20 Uhr).
Karten gibt es in den Service-Centern der Allgäuer Zeitung.