'I bin a Hanswurscht, i hau so an Durscht, und Hunger, o weh, vom Kopf bis zum Zeh.' – solche Fasnachtssprüche kennt heute oft nur noch die Generation der Großeltern. Doch Rita Klein aus Unterthingau hat den alten Allgäuer Brauch des Fasnachtssprechens wieder aufleben lassen. Mit ihrem neunjährigen Sohn, ihrem Neffen und ihrer Nichte, sowie ihrer Freundin und deren Sohn zieht sie seit drei Jahren am Lumpigen Donnerstag maskiert durch den Ort. Die Kinder sagen ihre Sprüche auf und werden mit Süßigkeiten oder kleinen Münzen belohnt, worauf die Sprüche nicht selten anspielen. "Ich wollte nicht, dass meine Kinder Halloween feiern", meint Rita Klein. "Also habe ich ihnen versprochen, dass wir im Fasching losziehen." An Halloween hätte sie gestört, dass pausenlos Kinder an der Türe geklingelt und "Süßes oder Saures" verlangt hätten, ohne etwas aufzusagen oder verkleidet zu sein. Da sei ihr der alte Brauch wieder eingefallen, denn die gebürtige Unterthingauerin war als Kind selber Fasnachtsprecherin gewesen. Fasnachtssprechen ist ein alter überlieferter Brauch im Allgäu. Am Lumpigen Donnerstag zogen früher meist arme Kinder maskiert von Haus zu Haus und sagten kurze Reime auf (siehe Infokasten). Dafür erhielten sie kleine Belohnungen.
Einige Sprüche habe sie noch im Kopf gehabt, erzählt Klein. Einen weiteren habe ihre Mutter gewusst, andere Reime habe man beim Mundartkreis Ostallgäu gekannt. Dort ist sie Schriftführerin, überhaupt ist sie der Mundart seit langem verbunden. 30 Jahre war sie in einer Dreigesanggruppe, in der man viel im Dialekt vorgetragen hatte. Das Trio sang auch beim Mundartkreis, dem sie schließlich beitrat. Auch bei ihr daheim spreche man Dialekt, obwohl ihre drei Söhne bereits im Kindergarten mit dem Hochdeutschen in Berührung kamen. 'Dialektzwang' gebe es nicht.
Die Gesangsgruppe hat sich zwar mittlerweile aufgelöst, im Kirchenchor singt Klein aber noch. Auch im Sportverein ist die 51-Jährige aktiv. Stundenweise arbeitet die Metzgereifachverkäuferin noch in ihrem Beruf, seit der Geburt ihres ersten Sohnes vor 24 Jahren ist sie jedoch hauptsächlich Hausfrau. Eine ausgeprägte Fasnachterin sei sie nicht, so Klein. Das Fasnachtssprechen mache sie in erster Linie für die Kinder. Besonders nett finde sie dabei, wenn die Sechs- bis Neunjährigen bei jeder Zeile ein wenig überlegen müssten, wie es weitergehe. Für Heiterkeit sorge auch, wenn die teils schelmischen, teils dreisten Sprüche gerade von den Kleinsten der Kinder aufgesagt würden.
In Unterthingau fand der wiederbelebte Brauch großen Anklang, berichtet Klein. War man im ersten Jahr nur in der Nachbarschaft unterwegs gewesen, so sei man letztes Jahr gleich auf der Straße zu anderen Adressen mitgenommen worden. Auch zum Friseur und in die Wirtschaft sei man gegangen. Dort sei man von dem Vortrag so begeistert gewesen, dass die Kinder 'alles frei gekriegt' hätten. Und die älteren Herren am Stammtisch hätten die Sprüche sogar mitsagen können, sie waren nämlich in ihrer Jugend auch Fasnachtssprecher gewesen.
Jedoch betont Rita Klein, dass sie mit ihren vier kleinen Fasnachtssprechern nicht die Einzige sei, die den alten Brauch fortführe. In Unterthingau gebe es weitere Fasnachtssprecher und auch in Oberthingau, so habe sie gehört, seien die Sprecher wieder unterwegs.