Hoch über der Mindelburg kreisen sie und in den Bäumen krächzen sie laut: die Saatkrähen. Über 900 Brutpaare davon gibt es allein in Mindelheim. Doch einfach umbringen darf man sie nicht, denn sie stehen auf der 'Roten Liste' der gefährdeten Arten.
Deshalb muss die Stadt behutsam gegen sie vorgehen, denn die Vögel-Kolonien sind ein echtes Ärgernis für die Menschen. Vor allem jetzt in der Balzzeit gehen beim Ordnungsamt in Mindelheim viele Beschwerden über Lärm und Verschmutzung durch den Kot der Krähen ein.
Eine schonende Methode muss also her. Die Stadt Mindelheim kämpft deshalb seit Wochen mit den Waffen der Natur: der natürliche Feind der Saatkrähen, der Falke, kommt zum Einsatz. Der Greifvogel verletzt oder tötet die Krähen aber nicht, er verjagt sie nur. Zu diesem Vorgang sagt man in der Fachsprache auch Vergrämen.
Stichtag für die Vergrämung ist der 31. März
Die Genehmigung für diese Maßnahme erhielt die Stadt von der schwäbischen Regierung. Bis 31. März darf der Falke die Krähen vergrämen. Dann fängt die Brutzeit an und die Vögel stehen gesetzlich unter Schutz. Es geht auch nicht darum, die Saatkrähe aus Mindelheim komplett zu vertreiben, sondern sie wieder aus der Stadt ins Randgebiet rund um die Mindelburg und in den Eichetwald anzusiedeln, erklärt Bürgermeister Dr. Stephan Winter.
In besiedeltem Gebiet oder auch im Bereich des Friedhofs vergrämt der Falke die schwarzen, laut krächzenden Vögel. Denn hier sind die Bürger von dem Lärm und der Verkotung durch die Krähen besonders betroffen. Niemand möchte auf einer Beerdigung bei schönstem Wetter mit dem Regenschirm am Grab stehen, weil man vom Kot der Krähen getroffen werden könnte, schildert Winter die Situation.
Hilfe kommt nun in Form eines Falkners. Leo Mandlsperger hat bereits in anderen Landkreisen postitive Erfahrung beim Vergrämen gemacht und übt seinen Beruf seit 50 Jahren aus. Mit seinen Falken trainiert er täglich auf einer Wiese nahe der Mindelburg und dem Freibad, um seine Tiere an die Umgebung und das Profil der Landschaft zu gewöhnen. Hier sollen die Greifvögel die Krähen vergrämen, damit sie dort nicht nisten.
Krähen sind intelligente Tiere. Daraus ergibt sich ein Problem: Sie dürfen sich nicht an die Anwesenheit der Falken gewöhnen. Wenn sie der immer gleiche Greifvogel aufschreckt, aber nichts weiter passiert, sind sie nach einer Zeit unbeeindruckt und kehren immer wieder zurück. Deshalb geht Leo Mandlsperger mit vier verschiedenen Falken gegen den schwarzen Vogel vor.
Tägliches, hartes Training diszipliniert die Falken
Damit seine natürlichen Waffen auch die Krähen als zu bejagendes Objekt ansehen, trainiert er sie mit einem Federspiel, einer Art Angel mit krähenähnlichem Federbesatz, und prägt die Falken schon als Jungtier auf den Vogel.
Außerdem füttert er sie mit einer anderen Krähenart, die im Jagdrecht steht. Durch das harte Training, die Belohnung mit Futter und den täglichen Ausflug, kehren die Falken immer wieder zu ihrem Besitzer zurück und schlagen auch nicht die Saatkrähe, denn darauf sind sie nicht getrimmt. Sie schrecken die Vogel-Kolonie nur auf und verfolgen sie ein kleines Stück.
Mandlspergers Kollegin Katrin Walther ist bei der Vergrämung auch dabei. Mit der Zeit entwickelt sich zwischen Falkner und Tier eine intensive Bindung: Ich habe meinen eigenen Falken und ich kann mein Verhältnis zu meinem Vogel mit einer Beziehung zwischen Schwestern vergleichen. Dass der Falke aber kein Schoßhündchen ist, sollte man auch nicht vergessen.
Auch Leo Mandlsperger sieht man oft mit seinen Falken im Zwiegespräch. Er spricht mit ihnen, gibt ihnen Anweisungen und lobt sie nach einem besonders guten Trainingsflug. Er hält die Vögel auf Trab, denn für die Krähen-Vergrämung brauchen die Tiere viel Kraft.
Mindelheim gehört zu den Städten mit der höchsten Saatkrähen-Population bayernweit, Dr. Stephan Winter, Bürgermeister Mindelheim.
Die Krähen sind bayernweit gesehen in ihrem Bestand bedroht. Lokal gesehen sind sie jedoch in einigen Städten, wie beispielsweise in Mindelheim und auch in Kempten, ein großes Problem: Wir gehören leider zu der Stadt in Bayern mit der höchsten Population an Krähen mit jetzt 956 Brutpaaren in Mindelheim. Aber bayernweit ist die Saatkrähe ein Vogel, der nicht so gehäuft auftritt. Es ist also ein punktuelles Problem, erklärt der Bürgermeister.
Heuer ist das erste Jahr, in dem der Falke zum Einsatz kommt. Deshalb bemüht sich die Stadt Mindelheim Tierschützer, Vogelschutzbund und interessierte Bürger mit einzubeziehen. Jeder darf dem Falkner bei seiner Arbeit zuschauen und ihm Fragen stellen, um jedem klarzumachen, so Winter, dass die Stadt hier nichts Illegales mache.
In anderen Landkreisen hat man schon gute Erfahrungen mit dieser Vergrämungs-Maßnahme gemacht. Ein kleiner Erfolg zeichnet sich momentan auch schon ab: Die Mindelheimer Saatkrähen meiden zunehmend die Gebiete, in denen die Falken ihre Kreise ziehen. Die meisten kehren in ihre alte Heimat rund um die Mindelburg und den Eichetwald zurück - Eben da, wo sie auch hindürfen.