Hinterher gibt’s Eis. Mit diesem Versprechen werden bis heute Kinder gelockt, wenn sie sich einer Mandeloperation unterziehen sollen. Bei dieser Tonsillektomie wird das ganze Organ aus dem Rachen entfernt. Das ist schmerzhaft. Eiseskälte wirkt da lindernd. Diesen Effekt hat sie auch bei einer neueren Operationsmethode, der Tonsillotomie. Allerdings ist diese in vielerlei Hinsicht von vorneherein leichter zu ertragen, denn dabei werden die Mandeln nur teilweise entfernt, sagt Dr. Christoph Langer, Hals-Nasen-Ohren-Arzt aus Füssen.
Ein Problem bei dieser Methode war bisher, dass sie nicht alle gesetzlichen Krankenkassen bezahlt haben. Es gab den Eingriff oft nur auf private Rechnung, als individuelle Gesundheitsleistung, sagt Helmut Brandl, Regionalgeschäftsführer der Barmer GEK. Um das zu ändern, setzen er und Langer sich schon länger für eine Übernahme durch die Kassen und damit eine kostenfreie Behandlung ein. Mit dem Ergebnis, dass die Barmer GEK einen Vertrag mit Allgäuer HNO-Ärzten geschlossen hat. Damit ist die Tonsillotomie für Kinder zwischen zwei und sechs Jahren kostenfrei.
Auch bundesweite Verträge
Vom Allgäuer Beispiel ausgehend gibt es solche Verträge laut Brandl auch bundesweit. Weitere Krankenkassen schließen sich dem an, so Langer. 'Diese Verträge sind ein Schritt in die richtige Richtung', sagt der Arzt. 'Aber wenn künftig für alle neuen und innovativen Leistungen immer mehr Verträge abgeschlossen werden, ist das nicht die endgültige Lösung.' Der Patient wisse am Ende nicht mehr, welche Kasse mit welchem Arzt für welche Leistung einen Vertrag abgeschlossen hat.
Warum die Krankenkassen die Kosten nicht übernehmen, hat laut Langer viel mit 'verstrickten politischen Verhältnissen' zu tun. So liege zum Beispiel schon lange ein Gutachten über die Tonsillotomie unveröffentlicht beim MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung).
Auch gebe es Krankenkassen, die abblocken. Ebenso Krankenhäuser, die dagegen sind, weil ihnen eine klassische Mandel-OP mit fünf bis sieben Tagen Klinikaufenthalt mehr Geld bringt, als eine ambulante Tonsillotomie.
System finanziell entlasten
Das würde zwar das Gesundheitssystem finanziell entlasten, trotzdem werden problematische Mandeln aber auch heute noch meist ganz entfernt. Das größte Risiko dabei sind neben Schmerzen und Problemen bei der Nahrungsaufnahme teils massive Nachblutungen, die noch Tage nach der OP auftreten und sogar tödlich sein können. Immunologen sehen den Eingriff zudem kritisch, da die Rachen- und Gaumenmandeln besonders in den ersten Lebensjahren wichtig für das Immunsystem sind. Sie erkennen Bakterien und Viren und koordinieren die Abwehr.
'In den Mandeln wird die Wahl der Waffen getroffen', sagt Langer. Um dieses System zu bewahren und das Risiko einer Nachblutung klein zu halten, sei eine Tonsillotomie besser. Und Eis gibt es schließlich auch bei dieser Methode, verspricht der Arzt.