Der 11-jährige Max ist enttäuscht. Er war nicht wie seine Freunde im Hallenbad. Obwohl er den ganzen Nachmittag für ein Diktat geübt hatte, machte er wieder viele Fehler und bekam eine schlechte Note. So ist es oft: Max benötigt Stunden für seine Deutsch-Hausaufgaben, während Freunde und Klassenkameraden ihre Freizeit genießen. Zunehmend ist die Lernatmosphäre daheim angespannt, sind die Eltern genervt. Doch je angespannter die Lernumgebung ist, desto schwerer tut sich Max Dieses Fallbeispiel nennen Experten der Psychologischen Beratungsstelle Sonthofen, um auf das Problem Legasthenie hinzuweisen. An eben dieser 'Teilleistungsstörung' leidet Max. Die Lese- und Rechtschreibstörung hat unter anderem genetische Ursachen. Betroffene seien nicht weniger intelligent als die anderen Kinder ihrer Klasse, hätten aber große Schwierigkeiten, Lesen und Schreiben zu lernen. Beim Abschreiben von der Tafel und beim Lesen lassen Legastheniker einzelne Buchstaben oder Silben aus, verwechseln sie oder fügen falsche Buchstaben hinzu. So wird die 'Wiese' schnell zur 'Weise' oder der 'Baum' zum 'Paum'.
Die Intelligenz der betroffenen Kinder und Jugendlichen sei normal bis überdurchschnittlich, wissen Heilpädagogin Anne Bauer-Weih und Psychologe Michael Leicht. Legasthenie gebe es in allen sozialen Schichten, bei Studenten ebenso wie bei Menschen mit Hauptschulabschluss. Um festzustellen, ob ein Kind von Legasthenie oder einer Lese-/Rechtschreibschwäche betroffen ist, bedarf es einer umfassenden und aussagekräftigen Diagnose. Und die sollte ein Fachmann durchführen – beispielsweise eine Schulpsychologin oder an einer psychologischen Beratungsstelle.
Eine frühzeitige Diagnose ermögliche eine effiziente Behandlung und eine deutliche Verbesserung der Lernsituation, betonen Bauer-Weih und Leicht. Reiche schulischer Förderunterricht nicht aus, sei eine gezielte Unterstützung mit einer Therapie möglich. Die solle nicht nur die gesamte Lern- und Hausaufgabensituation des Kindes umfassen, sondern auch seelische Belastungen, die viele Betroffene haben. Dazu gehörten niedriges Selbstwertgefühl, Angst vor Leistungsversagen und psychosomatische Symptome wie Müdigkeit, Kopfschmerz oder Schlafstörungen.