Wie leben die Menschen heute? Was ist ihnen wichtig? Und wie stehen sie zur Kirche? Landesbischof i.R. Heinrich Herrmanns analysierte Veränderungen der Gesellschaft in einem Vortrag vor der Seniorenunion in Memmingen.
Die christlichen Kirchen, so der evangelische Geistliche, seien von der gesellschaftlichen Entwicklung der vergangenen Jahre massiv betroffen. Eine Patchwork-Religiosität sei heute oft festzustellen. "Magisches und Religiöses wird gemischt", sagte der frühere Landesbischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Schaumburg-Lippe. Er beobachte eine "leichtgewichtige Kultur ohne Tiefgang". Gesellschaftlich sei es zu einer hohen Individualisierung gekommen. Das Ich zähle mehr als das Wir. Auch in den Beziehungen der Generationen sei Egoismus festzustellen. Herrmanns sprach von einem 'weichen Egoismus', dem etwas Freundlichkeit und Interesse füreinander beigemischt sei. Kritisch bemerkte er das Verhalten der Älteren, wenn sie ihre Freizeit wichtiger nähmen als die Unterstützung der jungen Generation – etwa bei der Betreuung von Enkeln. 'Auch bei Älteren kann man von einem Werte-Abriss sprechen, wenn sie sich nicht mehr zuständig fühlen.'
Die ältere Generation belegte der 73-jährige Herrmanns mit den Schlagworten 'alt, reich und ignoriert'. Und zwar ignoriert von der eigenen Kindergeneration. 'Wie oft', sprach er die Senioren an, 'werden Sie von den Kindern um die 40 Jahre um einen Rat, um eine Einschätzung gefragt?' Auf vielfaches Kopfschütteln im Publikum sagte Herrmanns: 'Diese Art von Gespräch gibt es immer weniger.' Den Senioren empfahl er, die ihnen wichtigen Werte und Glaubensinhalte in ihrem persönlichen Umkreis den Jungen weiter zu geben.