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Künstler Werner Specht aus Lindenberg wird heute 70

Interview

Künstler Werner Specht aus Lindenberg wird heute 70

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    Künstler Werner Specht aus Lindenberg wird heute 70
    Künstler Werner Specht aus Lindenberg wird heute 70 Foto: matthias becker

    Bei einem, der so sprudelt vor Schaffenskraft, der immer wieder Stücke komponiert, Gedichte schreibt und Bilder malt, kann man sich das Lebensalter in Jahren schwer vorstellen. Werner Specht, einer der Kreativköpfe des Allgäus, wird heute 70. Im Gespräch mit Ingrid Grohe macht der Künstler deutlich, dass für ihn nicht die Jahre zählen – sondern der Moment. Auf viele der Interviewfragen antwortet er mit Textbeispielen aus seinen Liedern. Es wird klar: Fast alles, was Werner Specht erlebt, schlägt sich in seiner Musik und in seiner Kunst nieder.

    Sie sind Maler, Mundartdichter und Musiker. Welche der drei Künste verlangt Ihnen am meisten Mühe ab?

    Werner Specht: Mühe – am ehesten vielleicht das Verfassen von Texten. Aber es kommt ja eins aus dem anderen raus. Das befruchtet sich gegenseitig.

    Ihre Texte drehen sich immer wieder um das Thema Zeit. 'I leg ab mi Hektik und ho wiedr Zit' haben Sie beispielsweise in einem Konzert 1986 angekündigt? Ist Ihnen das gelungen?

    Specht: Ja, sobald ich in der Musik bin, lege ich meine Hektik ab. Und wenn ich male, könnte ich wegfliegen – da bin ich ganz in meiner Welt.

    Aber – verglichen zu anderen 70-Jährigen – sind Sie doch sehr umtriebig. Sie geben regelmäßig Konzerte, in Kürze erscheint Ihre neue CD, im nächsten Jahr haben Sie eine große Ausstellung im Kemptener Fürstensaal. Das hört sich nicht unbedingt nach Entspannung und Zeit haben an.

    Specht: Jeder Künstler hat das Verlangen, zu zeigen, was er macht – in Konzerten oder durch Ausstellungen. Das ist auch wichtig, da kriegt man Feedback. Und wenn ein Konzert ganz still ist, dann spüre ich, dass die Leute gedanklich mit mir verbunden sind. Nach solch einem Abend fahre ich richtig glücklich heim.

    Sie haben eben ein Lied aus Ihrer neuen CD abgespielt. Darin heißt es: In mir groovt’s, was wed i meh?' Fühlt sich das 'Grooven' mit knapp 70 anders an als mit 35?

    Specht: Ja, das kann man wohl sagen (lacht). Aber im Ernst: Was ich da beschreibe, das fängt schon an, wenn ich morgens aufwache und aufstehe. Dann spüre ich den Boden unter mir. Und in dem Moment groovt es. Grooven – das bedeutet für mich, dass ich mich wohl fühle. Wenn ich die Dinge um mich herum beobachte und davon erzähle in meinen Liedern. Später in diesem Stück ist von vielen Millionen Menschen die Rede. 'Jeder hat seine Geschichte', heißt es da, und 'jeder malt seine Welt'.

    Beim Geschichten erzählen braucht man einen gewissen Groove.

    Sie nehmen in Ihren Liedern immer wieder aktuelle Moden aufs Korn, kritisieren die Anglizismen in unserer Sprache oder machen sich lustig über Wichtigtuer, die mit ihrer Handy-Erreichbarkeit prahlen. Würden Sie sich als konservativ bezeichnen?

    Specht: Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil, es gehört für einen Musiker dazu, sich zu entwickeln. Ich nutze beispielsweise traditionelle Volksmusikinstrumente, um ganz andere Musik zu machen. Veränderung ist ganz wichtig für Künstler.

    Akzeptieren Ihre treuen Fans Neues in Ihrer Musik?

    Specht: Ja, die spielen da mit. Ich bin selbst immer wieder erstaunt darüber.

    Ist Ihr Publikum mit Ihnen alt geworden?

    Specht: Ja, teilweise schon. Aber in Konzerten erlebe ich meistens ein sehr gemischtes Publikum – Menschen jeden Alters, die mit dem Allgäu verbunden sind.

    'Z’friede si' ist eine Redewendung, die in Ihren Texten häufig vorkommt. Gelingt Ihnen Zufriedenheit?

    Specht: Doch, das kann man sagen. Ich bin zufrieden.

    Was brauchen Sie dazu?

    Specht: Gesund sein, aktiv sein können. Das hängt natürlich auch von der Familie ab. Meine Frau Gisela gibt mir viel Freiraum. Das ist ja auch nicht selbstverständlich.

    Eines Ihrer Markenzeichen ist Ihre Frisur – die noch aus der Zeit Ihrer Jugend, den 60er-Jahren, zu kommen scheint. Mit welchen Gefühlen denken Sie an Ihre Jugend?

    Specht: Vielleicht nicht so wie manch anderer. Sicher ohne Wehmut. Das sind einfach Stationen meines Lebens. Für mich ist der Moment wichtig. Dass ich etwas schaffen kann. Ich würde niemals anderen Leuten mit einer Power-Point-Präsentation von früher erzählen. Das mit meiner Frisur hat nichts weiter zu sagen. Das bin ich halt. Aber das Leben verändert sich. Das spürt man mit den Jahren immer deutlicher.

    Verändern sich denn auch Ihre Musik und Ihre Bilder?

    Specht: Ja, die werden viel freier. Und je freier ein Bild ist, desto mehr fühle ich mich darin daheim.

    Ist das Älter-Werden also eine Bereicherung?

    Specht: Das ist jetzt eine gemeine Frage – im Grunde genommen ja. Es hat jede Lebenszeit ihre schönen Seiten. Vorausgesetzt, Du hast die Kraft, die Dinge zu tun, die Dir wichtig sind. Die andere Seite habe ich auch schon erlebt, vor einem Jahr, als ich wegen heftiger Schwindelanfälle drei Monate lang nichts tun konnte. Drum teile ich mir meine Zeit jetzt ein. Ich weiß schon ziemlich genau, dass ich 2013 etwa 15 Konzerte spielen werde – mehr nehme ich nicht an. Insofern ist eine genaue Planung ganz gut.

    Nochmal zurück zur Malerei. Können Sie schätzen, wie viele Bilder Sie gemalt haben?

    Specht: Nein, keine Ahnung. Die Schubladen sind knallvoll, ebenso viele Regale, das meiste ist noch gar nicht gerahmt. Es sind auf jeden Fall viel, sehr viel.

    Ist eines darunter, das Ihrer Meinung nach aus allen anderen herausragt?

    Specht: Ein einzelnes nicht. Aber es gibt schon immer wieder mal ein Bild, in das bist Du ganz verliebt, da hängst Du dran, aber dann verflüchtigt sich das wieder.

    Geschieht das im gleichen Maße, wie die Erinnerung an die Situation verblasst, aus der heraus das Bild entstand?

    Specht: Ja, dann ist die Tiefe, das Greifbare nicht mehr da.

    Wie feiern Sie Ihren 70. Geburtstag?

    Specht: Ganz klein. Es kommen am Nachmittag Freunde und Nachbarn zu uns nach Hause. Die Leute, die auch sonst zusammenhelfen. Diese Menschen sind mir wichtig.

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