Hier ein paar Kartons, dort auch welche. Und Klaus Dinkel mittendrin. Einige packte er gerade aus, als es an der Tür klingelt. Viele würden nun nervös werden, zumal ein großes Ereignis ins Haus steht. Nicht so Klaus Dinkel. Er bleibt die Ruhe selbst. Ein Stück weit ist es wohl die afrikanische Gelassenheit, die der neue Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde von Marktoberdorf in den vergangenen drei Jahren erfahren hat. Ein Stück weit ist es auch sein Naturell. Er scheint damit klar zu kommen, an mehreren Baustellen gleichzeitig zu arbeiten.
'Eine solch herzliche Aufnahme habe ich noch nie erlebt'
So stört es den 43-Jährigen nicht sonderlich, dass er im Moment mit seiner Frau Carina tatsächlich auf einer Baustelle lebt. Denn Pfarrhaus und Büro stammen aus den 1950er Jahren und werden derzeit umfassend modernisiert. Das 'Nest' ist also noch längst nicht komplett bereitet und trotzdem fühlt sich Dinkel von Anfang an in der Johannesgemeinde wohl, wurde von Gemeindegliedern und Kirchenvorstand mit offenen Armen empfangen: 'Ich habe ganz vorsichtig an der Tür angeklopft. Die sprang sofort auf und jeder hat gesagt: Kommen Sie herein, reden Sie bei uns mit. Eine solche herzliche Aufnahme habe ich noch nie erlebt.'
Dabei ist der neue Pfarrer nun in der tiefsten Diaspora angekommen, wo die evangelischen Christen in der Minderheit leben. Das kannte er weder von Augsburg, wo er aufgewachsen ist und seine ersten Schritte als Vikar ging, noch von seiner Pfarrstelle in Memmingen, noch von Tansania, wo er mit seiner Frau die vergangenen Jahre gewirkt hat.
Dinkel stammt aus einem christlichen Elternhaus, engagierte sich in der Jugendarbeit, im Jugendbibelkreis, übernahm selbst Verantwortung. Diese Erfahrung prägte ihn so sehr, dass er nach dem Abitur – gut, er tendierte ganz kurz in Richtung Bankkaufmann – Theologie studierte. Und eben während des Studiums hatte er Kontakt zur Organisation Mission-EineWelt. Eines der Hauptpartnerländer ist Tansania.
Seine Frau wollte als Ärztin – unter anderem hatte sie an den Kliniken in Buchloe und Kaufbeuren gearbeitet – ihr Wissen einmal in einem Entwicklungsland umsetzen und arbeitete deshalb als einzige Ärztin in Tansania an einer 120-Betten-Klinik. Für Klaus Dinkel wiederum war es auch der Reiz des Fremden. Denn ein Missionar wurde in der lutherischen Station Itete, die seit Ende des 19. Jahrhunderts besteht, nicht gebraucht. Vielmehr galt es, die Infrastruktur und die Ausbildung von Ärzten und Theologen zu verbessern. Zuvor mussten er und seine Frau Suaheli lernen.
120 Kilometer Fahrt für ein Stück Käse
Itete ist landwirtschaftlich geprägt. 'Die Menschen haben dadurch genug zu essen, aber kein Geld.' Wobei die Produktpalette nicht groß war. Für einen Käse oder andere, in Deutschland gewohnte Waren musste er rund 120 Kilometer fahren – einfach.
Hatte Dinkel seine 2300 'Schäfchen' in einem Umkreis von gut zehn Kilometern erreicht, wird er in Marktoberdorf für die 3000 Gläubigen weitere Strecken zurücklegen müssen. Obwohl er in Tansania unweit seiner Wohnung auf die Livingstone-Berge und den Malawisee blickte, weiß er auch die Gegend um Marktoberdorf als eine 'wunderschöne Ecke im Allgäu' zu schätzen.
Auf sie freut er sich ebenso wie auf die Personen, die ihm begegnen werden: 'Mich reizt der Kontakt mit Menschen, die glauben. Es ist die Kombination Menschen, Gott, Pfarrer. In diesem Beziehungsdreieck spielt sich der Pfarrberuf ab.' Allein mit dem Urauftrag Martin Luthers, das Wort zu predigen und die Sakramente zu verwalten, sei es heute nicht getan und deutet auf die Büroarbeit. Doch 'ohne Verwaltung kann keine Gemeinde existieren. Und wenn Kirche nicht besteht, kann sie auch den Glauben nicht verkünden.'
Mit dieser Aufgabe wird er am morgigen Sonntag beauftragt werden, wenn ihn Dekan Jörg Dittmar um 14 Uhr in sein Amt einführen wird. Bis dahin werde er vielleicht seine Fahrradpumpe gefunden haben, sagt er, schmunzelt und räumt weiter die Umzugskisten aus.