Schlechte Arbeitsbedingungen, Personalmangel, Notstand – immer lauter prangern Vertreter der Pflegebranche die Missstände ihres Berufsstandes an. Klaus Rockenmaier geht das zu weit. Pflegenotstand? 'Der Begriff wird völlig pauschaliert verwendet. Das halte ich für überzogen,' sagt der Geschäftsführer des Espachstifts in Kaufbeuren. 'Wenn wir immer davon reden, dass die Mitarbeiter in der Pflege überbelastet und schlecht bezahlt sind, dann darf ich mich nicht wundern, dass keiner den Beruf ergreifen will.'
Im Espachstift ist vom Fachkräftemangel noch nichts zu spüren, sagt der Heimleiter. Und weiter: 'In den Einrichtungen, die wir kennen, herrscht nach wie vor sehr gute Qualität.' Dabei meint er nicht allein das Espachstift, betont er nachdrücklich. 'Bei uns ist es nicht viel besser oder schlechter als in anderen Einrichtungen.'
Nachwuchs ausbilden, um Fachkräftemangel vorzubeugen
Schönreden, das wolle Rockenmaier aber nicht: Die Fachkräfte werden rar. Davor verschließt auch er die Augen nicht. Aus diesem Grund werde im Espachstift Nachwuchs ausgebildet. Das fordert Rockenmaier auch von den Einrichtungen, die den Notstand beklagen.
Die 'Holzhammer-Methode' mancher Kollegen sei der Sache jedenfalls nicht dienlich, sagt er. Dass zum Beispiel das Aktionsbündnis Pflege zum Aufbruch, zu dem sich wie berichtet 24 Allgäuer Einrichtungen zusammengeschlossen haben, der Politik vorwirft, sie handele nicht, missfällt dem Heimleiter. 'In den letzten Jahren ist viel passiert.' 2009 habe der Gesetzgeber beispielsweise zusätzlichen Betreuungskräften zugestimmt. Diese 'Alltagsbetreuerinnen' mit dreimonatiger Ausbildung entlasten die Pflegekräfte, indem sie sich etwa um demenzkranke Personen kümmern, wenn diese besondere Aufmerksamkeit brauchen. Oder sie gehen mit Bewohnern spazieren, bereiten mit ihnen Desserts zu. 'Die Pflegekasse bezahlt das zusätzlich.'
Ähnlich wie Rockenmaier äußert sich einer der Mitarbeiter, der gerade auf der Station im Erdgeschoss Dienst hat. Er arbeitet bereits seit vielen Jahren als Altenpfleger. 'Von einem Pflegenotstand merke ich nichts', sagt dieser. Auch wenn es manchmal stressig wird, habe er noch genug Zeit, sich mit den Bewohnern zu unterhalten. 'Das ist eine Frage der Organisation.' Klar, sagt er, 'mehr Personal ist immer schön'. Gerade in Zeiten von Grippewellen.
'Anstrengend, das ist der Beruf zweifelsohne. Aber auch andere Berufe sind anstrengend', sagt Rockenmaier. Wichtig ist ihm jedoch, dass nicht vergessen wird: Der Beruf ist vor allem auch schön.