Nach der Katastrophe im japanischen Atomkraftwerk Fukushima genießt der Ausstieg aus der Kernenergie innerhalb der deutschen Gesellschaft einen großen Stellenwert. Das bekräftigten die Vertreter der Handwerkskammer Schwaben bei einem Besuch im Allgäuer Medienzentrum in Kempten.
Als "Gäste der Redaktion" befürworteten Handwerkskammer-Präsident Jürgen Schmid, Vize-Präsident Hans-Peter Rauch und Hauptgeschäftsführer Ulrich Wagner auch eine Energiewende. Die Sprecher des schwäbischen Handwerks sehen jedoch die Gefahr, dass die Politik wieder nur Großprojekte fördert wie Windkraftparks in Nord- und Ostsee. Die kleinen Energielösungen, wie Solaranlagen vor Ort oder Blockheizkraftwerke, bei deren Bau und Installation Handwerksbetriebe im ganzen Land profitieren würden, blieben dadurch auf der Strecke.
Strom-Erzeugung in der Region
Wenn die Bundesregierung in der aktuellen Energiepolitik wieder nur die großen Stromkonzerne und ihre zentralen Mega-Anlagen fördert, "dann werden wir ganz ungemütlich werden", sagte Wagner kämpferisch. Schmid forderte: "Wir brauchen die Söder-Linie auf Bundesebene", also die Umsetzung dessen, was der Bayerische Umweltminister vorschlägt - die Förderung der Energie-Erzeugung in den Regionen, dort wo der Strom auch verbraucht wird, ohne über Tausende von Kilometern in neuen Leitungen transportiert werden zu müssen.
Position der Stärke
Das Handwerk argumentiert aus einer wiedererlangten Position der Stärke heraus. Die Wirtschaftskrise ist erstaunlich schnell überwunden worden, die Auftragsbücher sind randvoll. Wer heute einen Maler, einen Fliesenleger oder einen Gartenbauer braucht, muss unter Umständen monatelang warten. Nach einer internen Statistik der Handwerkskammer liegt die sogenannte durchschnittliche Reichweite der Auftragsbestände im Allgäu momentan bei 7,1 Wochen.
Kann da die neue Arbeitnehmerfreizügigkeit Abhilfe schaffen? Seit 1. Mai dürfen Polen, Tschechen, Ungarn oder etwa Balten auch in Deutschland ohne Einschränkungen ihre Dienste anbieten. Noch haben keine Massen aus dem Osten die Bundesrepublik überrollt. Und so bleibt auch Schmid gelassen: "Wir müssen uns auf die neue Konkurrenz einstellen.
" Langfristig sieht der Kammerpräsident sogar die Chance, "dass die zum Teil gut ausgebildeten Kräfte zu uns kommen und somit ein wenig zum Abbau des Fachkräftemangels beitragen."
"Tolle Perspektiven"
Denn beim Nachwuchs aus dem eigenen Land haperts. In so manchem Betrieb blieb im vergangenen Herbst die eine oder andere Lehrstelle frei. Junge Leute tendieren eher zu einer Ausbildung in der Industrie, weil dort die Löhne während der Lehre meist höher liegen als im Handwerk. "Dabei wird aber immer übersehen, dass das Handwerk enorme Entwicklungs-Chancen bietet und der Verdienst später nicht den Industrie-Löhnen hinterher hinkt", sagt Rauch, der selbst in Waltenhofen eine Metzgerei betreibt. Und seit Handwerksmeistern auch ein Studium offen steht, spricht Rauch von "tollen Perspektiven" für alle, die sich heute für einen Handwerksberuf entscheiden.