In seinem Auftaktvortrag betonte Prof. Dr. Jörg Fegert, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Universität Ulm, dass Jugendliche, die in ihrer Kindheit Gewalt und Aggression erlebt hatten, ein bis zu siebenfach höheres Risiko aufweisen, später selbst gewalttätig zu werden - als Kinder ohne Gewalt- oder Missbrauchserfahrungen. Wenn man sich dies vor Augen halte und die traumatischen Erlebnisse in der jeweiligen Biographie mit einbeziehe, sei das Verhalten von sozial auffälligen oder aggressiven Kinder und Jugendlichen oft besser nachvollziehbar und erleichtere therapeutische und präventive Strategien.
Anhand von aktuellen Daten aus der Schweiz demonstrierte er, dass diese Problematik gerade auch für viele Heimkinder gelte, die durch die Bedingungen einer Heimunterbringung häufig noch zusätzlich traumatisiert werden würden. Fegert, der auch die Unabhängige Beauftragte zur Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs, Dr. Christine Bergmann, in der Begleitforschung unterstützt, fordert eine stärkere individualisierte Heimbetreuung sowie mehr Kontrollen und Transparenz nach außen. Die vielfältigen Funktionen selbstverletzenden Verhaltens - beispielsweise durch Ritzen oder Schneiden - erläuterte Dr. Florian Daxer aus Augsburg.
Dabei betonte er, dass selbstverletzendes Verhalten sowohl Symptom einer psychischen Krankheit sein könne, viele Jugendliche häufig aber auch im Rahmen von Gruppenprozessen selbstverletzendes Verhalten imitieren würden, ohne dass weitere Auffälligkeiten bestünden. Aufgrund der sehr positiven Resonanz wird das Bildungswerk Irsee die Veranstaltungsreihe im Herbst 2012 fortsetzen.