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Geld fürs Klicken: Abzocke oder große Chance? Reportage über die Maschen bei Verkaufsveranstaltungen

Online-Werbung

Geld fürs Klicken: Abzocke oder große Chance? Reportage über die Maschen bei Verkaufsveranstaltungen

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    Geld fürs Klicken: Abzocke oder große Chance? Reportage über die Maschen bei Verkaufsveranstaltungen
    Geld fürs Klicken: Abzocke oder große Chance? Reportage über die Maschen bei Verkaufsveranstaltungen Foto: Sven Hoppe (dpa)

    Alle machen sie doch Millionen Dollar, ach was, Milliarden. Wollen aber nichts abgeben, sagt der Mann im Anzug, und das sei ja das Schlimme. Während er spricht, erscheinen auf der Leinwand hinter ihm Zahlen, Rechnungen, Umsätze. Google, Twitter, Facebook - warum sollten die das Geschäft mit der Internetwerbung allein untereinander ausmachen?

    Nächste Seite Vortrag, der Anzugträger spricht schnell, in der dritten Reihe halten sie Tabletcomputer auf den Knien, zwei Frauen in der ersten nicken wissend. "Motivationsveranstaltung" der amerikanischen Firma "My Advertising Pays" (Meine Werbung zahlt sich aus) im Hinterzimmer einer Ostallgäuer Veranstaltungshalle.

    Ein gutes Dutzend Besucher sind da, der Mann im Anzug nennt sie Visionäre. Sie alle haben schon Anteile gekauft, Werbepakete zu je 49,99 Dollar. Für jeden Anteil gibt es Erlöse aus Online-Werbung, so das Versprechen. Ein Leser der Allgäuer Zeitung hat Zweifel. Er hat die AZ-Berichterstattung zum Schneeballsystem "Marketing Terminal" verfolgt.

    Die Anleger waren mit Gewinnversprechen aus Online-Werbung geködert worden. Gibt es noch mehr solche Fälle im Allgäu? Und warum lassen sich Menschen blenden? Der Leser, der anonym bleiben will, hat eine Einladung für die Werbeveranstaltung bekommen, wir gehen mit. "Es ist unmöglich, damit kein Geld zu verdienen", hören wir dort. Was steckt dahinter?

    Zwei Tage zuvor, Kempten: Wir haben uns auf die Suche gemacht. An dem Ort, an dem angeblich über Nacht Gewinne entstehen, wo jeder Klick Geld bringt: Im weltweiten Datennetz. Die Botschaft von "My Advertising Pays" prangt in Fettschrift und in den Farben grün und gelb auf der Internetseite: zu 100 Prozent sicherer "Cashflow".

    Einen Ansprechpartner für das Allgäu finden wir nicht, auch keinen für Deutschland oder Europa. Das Unternehmen soll seinen Sitz in der Vereinigten Staaten haben. Keine Mailadressen, keine Telefonnummern, nur ein Anmeldeformular zur Teilnahme. Auch danach keine direkten Ansprechpartner, nur eine Standardmail als Antwort. Für die "Motivationsveranstaltung" im Ostallgäu ist ebenfalls eine Anmeldung nötig, mit Name, Mailadresse und weiteren Angaben. Die Veranstaltungen - im Allgäu gab es bereits einige - ebenso in deutschen Großstädten, sind teils kostenpflichtig. Welche Erfahrungen haben Internetnutzer mit "My Advertising Pays" gemacht? Zunächst einmal gilt die Unschuldsvermutung. Die Suchmaschine spuckt ein paar Treffer aus, einige Internetblogger schwärmen von dieser Art des Geldverdienens. Andere sind "wirklich skeptisch". Zwei Tage darauf liegt ein Bündel mit Ausdrucken auf dem Beifahrersitz, von Kempten geht es ins Ostallgäu. "Lass die Geldbörse zu Hause", haben Kollegen gewitzelt. Treffpunkt ist der Parkplatz vor Veranstaltungshalle. Vor dem Seiteingang steht der Banner von "My Advertising Pays". Die Antworten bleiben vage Gemeinsam mit dem AZ-Leser geht es hinein. Händeschütteln, eine freundliche Begrüßung, die meisten hier kennen sich. Bedenken hat keiner - abgesehen von unserem Begleiter. Was denn mit der Steuer ist, fragt er nach und: Muss man Mehrwertsteuer zahlen, weil man ja die Dienstleistung Online-Werbung angeboten wird? Die Antworten bleiben vage und der Mann im Anzug beruhigt uns. Keine Sorgen machen. Jetzt einfach zuhören. Wir hören zu, 20 Prozent des Einsatzes sollen innerhalb von 100 Tagen möglich sein. Dadurch, dass man selbst und andere auf Werbebanner im Internet klickt. Wer "Kunden" wirbt, bekommt noch mehr, sagt der Mann im Anzug. Eine Stunde später verlassen wir die Veranstaltung. Auf Wunsch des Informanten, ohne uns zu erkennen zu geben.

    Seriös komme ihm das alles nicht vor, sagt er. In der Verbraucherzentrale in Kempten teilt Andreas Winkler diese Einschätzung. Wie die hohen Gewinne zustande kommen sollen, könne er nicht nachvollziehen: höchste Vorsicht. Noch einmal treffen wir den AZ-Leser. Er sagt, er will 1000 Euro setzen. Ein Glücksspiel - das sei ihm bewusst. Wie kommt "My Advertisement Pays" ans Geld? Über Facebook haben wir Vermittler und Kunden ausfindig gemacht. Nur eine Antwort. Eine Bloggerin schreibt. Sie ist 47 Jahre alt und überzeugt von der Idee. Ein Schneeballsystem? Eine "typische Aussage". Sie glaubt es nicht. Was sagt die Firma? Wir haben keine direkte Kontaktmöglichkeit gefunden.

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