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Gegen bewaffnete Reichsbürgerszene - Beispiellose Razzia in ganz Deutschland

Durchsuchung auch im Allgäu

Gegen bewaffnete Reichsbürgerszene - Beispiellose Razzia in ganz Deutschland

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    Bei einer Razzia gegen sogenannte "Reichsbürger" führen vermummte Polizisten, nach der Durchsuchung eines Hauses Heinrich XIII Prinz Reuß zu einem Polizeifahrzeug.
    Bei einer Razzia gegen sogenannte "Reichsbürger" führen vermummte Polizisten, nach der Durchsuchung eines Hauses Heinrich XIII Prinz Reuß zu einem Polizeifahrzeug. Foto: picture alliance/dpa | Boris Roessler

    In ganz Deutschland hat die Polizei am Mittwochmorgen eine beispiellose Razzia durchgeführt. Bis zu 3.000 Beamte waren in elf Bundesländern im Einsatz, sagte eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Insgesamt 25 Menschen aus der sogenannten Reichsbürgerszene nahmen sie dabei fest. Darunter befindet sich laut dpa auch eine ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete und amtierende Richterin. Als ein Rädelsführer gilt der Unternehmer Heinrich XIII. Prinz Reuß aus Hessen.

    Vereinigung wollte Regierung stürzen

    Die terroristische Vereinigung habe die staatliche Ordnung in Deutschland stürzen und durch eine eigene ersetzen wollen, die in Grundzügen schon ausgearbeitet sei. Dafür hätte sie auch Tote in Kauf genommen. Auch im Allgäu gab es lautallgäuer-zeitung.deeine Durchsuchung.

    Heinrich XIII. Prinz Reuß wäre wohl nach dem Regierungssturz das Staatsoberhaupt gewesen

    Dem Bericht zufolge war geplant "die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen und einen Staat nach Vorbild des Deutschen Reichs von 1871 zu errichten". Heinrich XIII. Prinz Reuß soll der Vorsitzende der Gruppe gewesen sein. Nach dem Plan der Vereinigung wäre er im Falle des Sturzes der Regierung vermutlich das "zukünftige Staatsoberhaupt" gewesen.

    KSK-Soldat unter den Beschuldigten

    Unter den Beschuldigten sind teilweise Ex-Elitesoldaten. Die Ermittlungen der Bundesanwaltschaft richten sich auch gegen einen Soldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr und mehrere Reservisten der Bundeswehr. Der aktive Soldat sei im Stab des KSK eingesetzt, sagte ein Sprecher des Militärischen Abschirmdienstes (MAD). Nach Informationen der dpa handelt es sich um einen Unteroffizier. Demnach wurden sein Haus und sein Dienstzimmer in der Graf-Zeppelin-Kaserne in Calw (Baden-Württemberg) durchsucht. Neben Einsatzkräften der Antiterroreinheit GSG 9 der Bundespolizei waren auch Beamte aus mehreren Spezialeinheiten (SEK) der Bundesländer im Einsatz.

    Richterin ist unter den Verdächtigen

    Dass die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann unter den Verdächtigen sei, beunruhige sehr, sagte SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich (SPD). Malsack-Winkemann saß von 2017 bis 2021 für die AfD im Bundestag, im März 2022 kehrte sie in den Richterdienst zurück und ist am Landgericht Berlin tätig. "Wir werden alle Instrumente ausschöpfen, um die Beschuldigte vollständig aus dem Richterdienst zu entfernen", sagte Berlins Justizsenatorin Lena Kreck (Linke).

    "Haben noch keine Namen"

    Wie die dpa weiter berichtet sollen 22 der Festgenommenen Mitglieder einer terroristischen Vereinigung sein, zwei davon Rädelsführer. Drei weitere gelten als Unterstützer. Zudem gebe es 27 weitere Beschuldigte, sagte die Sprecherin gegenüber der Agentur. "Wir haben noch keinen Namen für diese Vereinigung", sagte sie. Sie begründe sich wohl auf Verschwörungsmythen.

    Geheimbund soll Deutschland regieren

    Die Mitglieder seien der festen Überzeugung, dass Deutschland derzeit von Angehörigen eines sogenannten Deep States, eines "tiefen Staats", regiert werde, hieß es in einer Mitteilung. Demnach sind sie der festen Überzeugung, dass ein Angriff eines technisch überlegenen Geheimbundes kurz bevorstehe. Dazu sollen Regierungen, Nachrichtendienste und Militär verschiedener Staaten, einschließlich der Russischen Föderation sowie der Vereinigten Staaten von Amerika gehören. 

    Gründung im November 2021

    Spätestens Ende November 2021 soll sich die Gruppierung gegründet haben. Zentrales Gremium sei ein "Rat". Der verfüge ähnlich wie das Kabinett einer regulären Regierung über Ressorts wie Justiz, Außen und Gesundheit. "Die Mitglieder des 'Rates' haben sich seit November 2021 regelmäßig im Verborgenen getroffen, um die angestrebte Machtübernahme in Deutschland und den Aufbau eigener Staatsstrukturen zu planen", teilte die Bundesanwaltschaft mit.

    Rechtsstaat beseitigen

    Ein "militärischer Arm" sollte den demokratischen Rechtsstaat auch auf Ebene der Gemeinden, Kreise und Kommunen "beseitigen", hieß es. Der Vereinigung sei bewusst, dass es dabei zu Toten kommen werde. "Sie nimmt dieses Szenario aber als notwendigen Zwischenschritt zur Erreichung des von ihr angestrebten 'Systemwechsels auf allen Ebenen' zumindest billigend in Kauf." Einige mutmaßliche Mitglieder des militärischen Arms hätten aktiv Dienst in der Bundeswehr geleistet.

    Hauptsächlich Soldaten und Polizisten im Visier

    Auch hätten sie vor allem Angehörige der Bundeswehr und Polizei für den geplanten Staatsumsturz rekrutieren wollen. Bei mindestens vier Treffen in Baden-Württemberg im Sommer hätten mutmaßliche Mitglieder für die terroristische Vereinigung und ihre Ziele geworben. Im Herbst hätten Beschuldigte in Norddeutschland gezielt Polizeibeamte für die Vereinigung gewinnen wollen. Angehörige des "militärischen Arms" hätten Bundeswehrkasernen in Hessen, Baden-Württemberg und Bayern ausgekundschaftet, "um sie auf ihre Tauglichkeit für die Unterbringung eigener Truppen nach dem Umsturz zu inspizieren". 

    Festnahmen auch in Bayern

    Festgenommen wurden die Menschen den Angaben nach in Baden-Württemberg (8), Bayern (4), Berlin (1), Hessen (3), Niedersachsen(3), Sachsen (2) und Thüringen(2) sowie jeweils eine Person in Österreich und Italien. Durchsuchungen habe es darüber hinaus in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland gegeben. Noch am Mittwoch wollte die Bundesanwaltschaft mit der Vernehmung der ersten Festgenommenen beginnen, wie die Sprecherin sagte. 

    Durchsuchung im Oberallgäu

    Wieallgäuer-zeitung.deberichtet, hat es auch eine Durchsuchung im Landkreis Oberallgäu gegeben. Diese habe bei einer "nicht verdächtigen Person" stattgefunden. Die Person gehört demnach nicht zu der Gruppe der rund 50 Beschuldigten oder der Unterstützer. Die Durchsuchung im Oberallgäu habe es gegeben, weil sich die Ermittler dadurch weitere Hinweise erhofft hatten. Nähere Details dazu wurden nicht genannt. Ausgangspunkt der Ermittlungen sollen Verbindungen von Mitgliedern der nun ausgehobenen Vereinigung zu Angehörigen der Gruppe "Vereinte Patrioten" sein, die im April festgenommen worden waren und wohl Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) entführen wollten.

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