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Erika Heyer erinnert sich zu ihrem 90. Geburtstag an ihre Zeit als Zeitungsfotografin

Porträt

Erika Heyer erinnert sich zu ihrem 90. Geburtstag an ihre Zeit als Zeitungsfotografin

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    Erika Heyer erinnert sich zu ihrem 90. Geburtstag an ihre Zeit als Zeitungsfotografin
    Erika Heyer erinnert sich zu ihrem 90. Geburtstag an ihre Zeit als Zeitungsfotografin Foto: ralf lienert

    Vor über 75 Jahren drückte Erika Heyer zum ersten Mal den Auslöser im Fotostudio. Jahrzehntelang dokumentierte sie für die Allgäuer Zeitung das Geschehen im Allgäu. Jetzt wurde sie 90 Jahre alt und blickt als vitale Ruheständlerin in Kempten auf ein erfülltes Leben zurück.

    Sie erinnert sich an viele spannende Momente, beispielsweise die Sprengung der alten Skiflugschanze und den Neubau der Heini-Klopfer-Schanze in Oberstdorf. 'Ich hatte damals keinen Motor an der Kamera. Das hieß: abdrücken, aufziehen, abdrücken, aufziehen – und nach 36 Bildern war der Film voll.' So beschreibt sie den Unterschied zu den heutigen Kameras der Pressefotografen, die bis zu zwölf Bilder in der Sekunde einfangen können.

    Mit 14 Jahren begann Erika Heyer die Ausbildung in ihrem Geburtsort Tegernsee. 'Damals wurde noch auf Glasplatten fotografiert', sagt sie. In der Dunkelkammer entwickelte sie Porträtaufnahmen und Postkartenmotive. Tegernsee war damals schon ein Fremdenverkehrsort, und so wanderten im Labor viele Urlaubsimpressionen von Fremden durch ihre Finger.

    Fünf Jahre später, Deutschland hatte gerade den Zweiten Weltkrieg angezettelt, zog sie ins Allgäu. Ein Fotoatelier in Pfronten sollte für die kommenden 24 Jahre ihr beruflicher Mittelpunkt werden. 'Hier bekam ich den Feinschliff für Porträtaufnahmen.' Blitzanlagen waren damals noch ein Fremdwort, dafür wurden Gesichter oder Gruppen mit Glühbirnen in Szene gesetzt. Mit einer Linhof-Balgenkamera und einer 6 x 6-Kamera entstanden unzählige Kinder- und Familienbilder sowie Fotos von Hochzeiten, Kommunionen und anderen Feiern. Doch ihre eigentliche Passion waren Landschaftsaufnahmen. Heyer unternahm viele Wanderungen.

    Presseball als Herausforderung 1964 zog sie mit ihrem Mann Jürgen nach Kempten. Der Journalist, der lange im Ostallgäu berichtete, war zum 'Allgäuer' gewechselt. 1969 starb er überraschend. 14 Tage später hatte sie einen Vertrag bei der AZ in der Tasche und fotografierte gleich die Allgäuer Festwoche.

    Erika Heyer fand rasch Gefallen an der neuen Aufgabe, die sie sich mit Erika Bachmann teilte. Spontan fallen ihr die Fußballspiele ein, die sie ohne lange Teleobjektive und moderner Bildübertragung bewältigte. Der Zeitdruck wurde zu ihrem ständigen Begleiter, und der Redaktionsschluss saß ihr viele Jahre lang im Nacken.

    Für ihre Reportagen hatte sie anfangs eine Minolta, später stieg sie auf Nikon und Leica um. Mit ihr hielt sie für die Zeitungsleser den Bau der Kemptener Fußgängerzone mit Horten und Zentralhaus fest. Sie erlebte den Abbruch das Alten Bahnhofs und die Gründung der Hochschule. 'Zu unseren Politikern wie Ignaz Kiechle oder Paul Diethei hatte ich rasch einen guten Draht', erzählt sie.

    Die Prominenz begleitete Heyer bei vielen Anlässen. Dazu zählte auch der Allgäuer Presseball im Kornhaus. 'Das war für uns der Höhepunkt des Jahres', erinnert sich die 90-Jährige. Über viele Jahre galt es nämlich, nicht nur die Stars des Abends eindrucksvoll einzufangen. Für die Gäste gab es eine Mitternachtszeitung. 'Das war jedes Jahr eine enorme Herausforderung an das Team', sagt sie.

    Während sich die Ballbesucher bei Sekt und Häppchen unterhielten, herrschte in der Redaktion Hochbetrieb. Boten eilten mit belichteten Filmen durch die Nacht, Laboranten entwickelten das Material und stellten sogenannte Kontaktbögen her. Mit der Lupe in der Hand schaute Heyer dann über die Bögen und suchte die besten Motive heraus. Als die Zeitung dann verteilt wurde, belohnte sie der Beifall der Gäste.

    Es gab aber auch traurige Momente. 'Immer wieder wurden wir zu Unfällen gerufen, die uns wirklich berührt haben.' Mit ihrem kleinen Ford wurde sie zum schlimmen Zugunglück bei Aitrang 1971 geschickt und eilte zum Einsturz der Autobahnbrücke bei Leubas 1974. In Erinnerung ist Heyer auch der Brand einer Reifenfabrik in Memmingen geblieben. 'Da qualmte es tagelang.'

    Gerne ging sie ins Theater

    Im Rückblick überwiegen bei ihr die interessanten Begegnungen, beispielsweise mit Allgäuer Sportgrößen wie Christl Cranz, Heidi Biebl, oder Ossi Reichert. Die Epple-Schwestern Irene und Mariele erlebte sie mit ihren Medaillen um den Hals beim Triumphzug durch Seeg.

    Vor ihrer Kamera setzten sich Ministerpräsident Franz Josef Strauß oder Verteidigungsminister Helmut Schmitt ins Szene. Erika Heyer erlebte die ersten Konzerte in der Kemptener Eishalle mit Boney M oder James Last. Gerne ging sie auch ins Theater und begleitete die Kulturredakteure bei den Interviews in der Künstlergarderobe. Nur einer wollte nicht fotografiert werden: Udo Jürgens. Der hatte einen Exklusivertrag mit einer anderen Zeitung, und da sei nichts zu machen gewesen.

    Ob Udo Jürgens sich bei seinem nächsten Auftritt im März 2012 in der Big Box noch an diese Episode erinnert?

    Mit 65 ist Erika Heyer in den Ruhestand gegangen, aber sie hängte ihre Kamera nicht gleich an den berühmten Nagel. Sie bereiste die Welt und fing grandiose Landschaften ein. Inzwischen ist die analoge Nikon in einem Karton im Keller verschwunden. Mit wachem Blick resümiert sie: 'Wenn man ein ganzes Leben lang fotografiert hat, schaut man die Welt lieber mit den Augen an und speichert die Eindrücke im Kopf.'

    Und mittendrin die Fotografin: Erika Heyer bei einer Allgäuer Festwoche in den 1970er Jahren. Rechts der damalige bayerishe Ministerpräsident Alfons Goppel. Foto/Repro: Ralf Lienert

    Vitale Ruheständlerin: Erika Heyer.

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