Eine musikalische Bildungslücke wurde in der katholischen Oberstdorfer Pfarrkirche St. Johannes Baptist mit der Aufführung der Markus-Passion von Reinhard Keiser geschlossen, und genießen konnte man es noch dazu. Ein exquisites Puzzle-Stück im Kosmos rund um Bachs große Passionen wurde delikat serviert von den Musikern um Stefan Heidweiler aus Oberstdorf und Albert Frey aus Füssen.
Schon zum zwölften Mal stimmte diese Schar an Sängern und Musikern in die Karwoche ein. Dass damit eine liebe Tradition geschaffen wurde, betonte Pfarrer Peter Guggenberger in seiner Begrüßung, und das zeigte sich auch am guten Besuch und der andächtigen Atmosphäre. Ein Publikum eineinhalb Stunden auf den Kirchenbänken dermaßen ruhig und konzentriert zu halten, das ist eine Leistung.
Bach hat diese Passion geschätzt und selbst aufgeführt. Trotzdem ist sie in Vergessenheit geraten. Für die Oberstdorfer 'Auferstehung' standen bereit Sänger-Persönlichkeiten wie Agnes Flatz (Sopran), Sabrina Tiedtke (Alt), Albert Frey (Altus), Stefan Heidweiler (Tenor) als Evangelist, Willie Pirzer (Bass). Der kurzfristig eingesprungene Tenor Florian Karg aus Hindelang empfahl sich für diesen Kreis.
Jeder dieser Solisten hat sein eigenes Timbre und hätte es verdient, individuell gewürdigt zu werden, was aus Platzgründen nicht möglich ist. Dass es ihnen auch gelang, zusammen mit drei weiteren Sängern in den Chorälen wunderbar zu einem 'Chor' zu verschmelzen, beweist die musikalische Intelligenz dieser Vokalisten auf eine andere Art.
Ausdrucksvoller Vortrag
Stellvertretend sei darauf hingewiesen, wie ausdrucksvoll und zugleich textverständlich Heidweiler und Pirzer ihre Partien als Evangelist und Jesus deklamierten und gestalteten. Wie Agnes Flatz im Sopran zwischen weiblich-schwingender und knabenhaft-gläserner Klangfarbe balancierte
Ein 'Nest' fähiger Streicher
Zu diesem außergewöhnlichen Gesangs-Niveau fügten sich die Geigen und Bratschen aus Reutte in Tirol, aktiviert vom dortigen Musikschul-Leiter Tobias Lämmle als Dirigent. Dieses 'Nest' fähiger Streicher in Reichweite zu haben, ist ein Glücksfall. Es wurde komplettiert durch Ulrike Tenzer (Cello), Oliver Radke (Kontrabass) und Heike Glinka (Orgel) als präzise und anschmiegsame Continuo-Gruppe. Nicht zu vergessen Albert Frey als Horn-Solist.
Wieder einmal ist dem Ensemble eine Ausgrabung jenseits des Standard-Repertoires gelungen. Diese Spürnase für kirchenmusikalische Schätze ist einzigartig. Dass sich idealistische Begeisterung und professionelles Können so vereinen, ist eine Seltenheit.