Im Urlaub in Afrika hat sich Martin Ess eine Art Kaftan gekauft. Er dachte dabei nicht an eine rasante Klimaerwärmung, sondern an die fünfte Jahreszeit: den Fasching. Seit über 20 Jahren begleitet Dirigent Ess mit seiner Musikkapelle Heimenkirch den Kinderumzug im Ort und spielt die erste Viertelstunde beim beliebten Heimenkircher Musikball. Im Gespräch mit Ingrid Grohe erzählt er, dass die ausgelassene Stimmung unter den Musikern von selbst entsteht – sobald sie vor einem vollen Saal stehen. Herr Ess, gibt es unter Ihren Musikanten auch Faschingsmuffel?
Martin Ess: Mir fällt konkret niemand ein. In unserer Musikkapelle sind wir über 60 Leute, zum Umzug kommen höchstens zwei Drittel – was aber nicht unbedingt an irgendwelchen Faschingsmuffeln liegt.
Schieben Sie mit der Kapelle eigene Proben ein für die Faschingstermine?
Ess: Nein, es gibt keine Extra-Proben. Am letzten Montag haben wir in der Musikprobe die Sachen durchgespielt, die wir dann brauchen. Da bedarf es keiner wochenlangen Vorbereitung.
Welches Repertoire bereiten Sie vor?
Ess: Für den Umzug haben wir zwei Arrangements, die heißen 'Happy Marching Bands 1+2'. Das sind keine normalen Straßenmärsche, sondern eher bekannte Lieder in Potpourriform. Beim Musikball nehmen wir dieses Jahr einen Ausschnitt aus dem Programm, mit dem wir letztes Jahr beim Stimmungswettbewerb in Oberstaufen Sieger geworden sind.
Welche Stücke sind das?
Ess: Die Eröffnungsfanfare von 'Also sprach Zarathustra' von Richard Strauss gehört dazu, außerdem der beliebte Marsch 'Die Sonne geht auf', der Rock-Klassiker 'We will rock you' und der Stimmungshit 'Viva Colonia'.
Das heißt, Sie bereiten sich auf den Fasching ähnlich vor wie auf einen Stimmungswettbewerb?
Ess: Ja, das läuft auf das Gleiche hinaus – zumindest was die Musik beim Ball anbelangt.
Außer dem speziellen Repertoire: Was ist bei solchen Auftritten besonders wichtig?
Ess: Stimmung – immer Stimmung!
Und wenn man als Musikant gerade nicht in besonders guter Stimmung ist?
Ess: Die kommt schon, wenn man vor einem Saal voller Leute steht. Bei den Proben kann ich natürlich nicht von der Kapelle erwarten, dass alle super drauf sind. Aber im Saal – da kommt die Stimmung von selbst.
Und wie stecken Sie die Gäste an?
Ess: Vor allem mit Titeln, die zum Mitklatschen animieren, am besten auch zum Mitsingen. Es muss etwas sein, das die Leute kennen, zum Beispiel das Fliegerlied oder 'Schatzi, schenk mir ein Foto'.
Gibt es auch bei der Faschingsmusik Klassiker?
Ess: Nun ja, ewig halten sich die Hits nicht. Stücke wie 'Rucki zucki' oder 'Humta täterä' sind eigentlich tot. Das kommt bei den Leuten nicht mehr an. Es ist schon eine Modesache. Titel wie das Fliegerlied, 'Die Hände zum Himmel' oder 'Hey Baby' sind seit Jahren Dauerbrenner, aber auch die werden sich nicht ewig halten.
Fällt es Ihnen leichter, ernste Musik zu dirigieren oder Stimmungsmusik?
Ess: Natürlich ist es mehr Herausforderung, sich für ein Konzert vorzubereiten als für einen Stimmungswettbewerb. Und mal schnell 'Ein Prosit' zu spielen ist nicht schwer. Von der Probenarbeit her macht es mir mehr Spaß, mich gezielt auf ein Konzert vorzubereiten, wobei ein Stimmungswettbewerb schon auch seinen Reiz hat und eine engagierte Kapelle erfordert.
Einigen sich die Musikantinnen und Musikanten im Fasching auf eine bestimmte Verkleidung oder kommt einfach jeder, wie er mag?
Ess: Bis jetzt kommt jeder, wie er will.
Was tragen Sie selbst lieber: Ihre Musikantentracht oder eine Faschingsverkleidung?
Ess: Ich zeige mich schon lieber in der normalen Tracht.
Der Kinderumzug in Heimenkirch setzt sich am kommenden Samstag, 4. Februar, um 14 Uhr in Bewegung. Der Musikball findet am Faschingssamstag, 18. Februar, in der Alten Turnhalle statt.