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"Die Scheidegger Auskunftszentrale"

Kiosk Scheidegg

"Die Scheidegger Auskunftszentrale"

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    "Die Scheidegger Auskunftszentrale"
    "Die Scheidegger Auskunftszentrale" Foto: Matthias Becker

    Ihr Reich, der Kiosk, ist gerade einmal neun Quadratmeter groß. Nach über 41 Jahren tritt Monika Gorlo ab. Der Kurort Scheidegg ist um eine Besonderheit ärmer. Der Kiosk in der Ortsmitte, ursprünglich ein Fahrkartenschalter für Ausflugsfahrten, den sie im Mai 1969 übernommen hatte, wird von Anfang des nächsten Jahres an von Christian Reichart, dem Vorsitzenden des Verkehrsvereins betrieben. In diesen Tagen steht die Inventur an. Tausende von Karten, Souvenirs, Figuren, Kerzen, Schals, Schmuck und Devotionalien, Zeitungen und Zeitschriften müssen gezählt und abgerechnet werden.

    Bürgermeister Uli Pfanner, der die Pächterin - heute würde man Managerin sagen - mit einem großen Blumenstrauß verabschiedete, bezeichnete Monika Gorlo als "Auskunftszentrale" für die Touristen, die eigentlich nicht zu ersetzen sei.

    Die geborene Scheideggerin Monika Gorlo hatte zunächst eine Lehre bei der Sparkasse gemacht, war aber damit nicht recht glücklich. Sie wollte "mit Leuten zu tun haben." Als sich die Möglichkeit ergab, den Kiosk zu pachten, griff sie mutig zu und machte sich selbständig, obwohl ihr Sohn erst ein paar Monate vorher auf die Welt gekommen war. "Ich hab es immer gern gemacht, auch wenn ich 30 Jahre lang keinen freien Sonntag hatte", bemerkt sie im Rückblick. Und: "Ich war all die Jahre nie krank. Das ist ein Segen." Eine Woche Zillertal - das war der Jahresurlaub.

    Erst als in Scheidegg die Tankstelle - die inzwischen wieder geschlossen ist - eröffnete und die Bäcker begannen, auch am Sonntag frische Brötchen (und Zeitungen) zu verkaufen, stellte sie vor zwölf Jahren den Sonntagsdienst ein.

    Sie hört leichten Herzens auf, weil sie weiß, dass es weitergeht. Der Kiosk wird eine Art Servicezentrale, sieben Tage geöffnet, in Verbindung mit der Kurverwaltung, die in die ehemalige Post zieht. " So etwas braucht ein Tourismusort ganz einfach ", stellt Gorlo fest.

    Die Idee, Kiosk und Kurverwaltung zusammenzulegen, kam ihr am 8. Januar dieses Jahres, morgens kurz vor drei Uhr, erzählt Monika Gorlo. Am nächsten Vormittag teilte sie den Plan dem Bürgermeister mit und der war einverstanden.

    Mit Theo Zwanziger geplaudert

    Den Scheideggern, denen sie unzählige Male die Zeitung zurückgelegt hat, und den Touristen, denen sie immer mit einem freundlichen Wort begegnete, wird sie fehlen. Vor einer Woche hatte sie eine der vielen Begegnungen, die klar machen, dass sie die Seele dieses kleinen Häuschens zwischen Kirche und Rathaus war: 18 Jahre nach ihrem ersten Besuch in Scheidegg stand eine Frau noch einmal vor dem Kiosk, "nur um zu sehen, ob ich noch da war." Die ehemalige Klinikpatientin hatte eigens einen Umweg gemacht. Das Wiedersehen war entsprechend herzlich.

    Der Umgang mit Menschen ist ihr eine Herzensangelegenheit. Das spürte neulich auch der DFB-Präsident Theo Zwanziger, als er sich mehrere Tage in Scheidegg aufhielt, morgens seine Zeitung am Kiosk holte "und jedesmal ein Viertelstünchen mit mir plauderte", berichtet Monika Gorlo. Nicht nur im Sport kennt sie sich aus. Vor langer Zeit hatte schon der Sänger Howard Carpendale ein Souvenir bei ihr gekauft, erinnert sie sich.

    Als Monika Gorlo begann, waren die Ansichtskarten noch schwarz-weiß. In den "guten Jahren", den Siebzigern und Achtzigern, verkaufte sie 70 bis 80000 Karten im Jahr. Heute sind es immerhin noch halb so viele. Neben all den wechselnden Moden hat sich eines gehalten: die Stocknägel. "Die sind immer gleich begehrt", weiß die Scheideggerin. Davon hat sie eine stolze Sammlung.

    Auch Silberlöffel, Kuhglocken und Bierkrüge "gehen immer". Heutzutage würden die Gäste mehr auf praktische Geschenke als Mitbringsel Wert legen. Darum hat sie auch Taschen, Schals, Schmuck und Teleskopstecken im Laden. Der Renner ist neuerdings "alles was magnetisch ist."

    In den letzten Jahren habe sich der Tourismus im Kurort wieder belebt, hat Monika Gorlo beobachtet. Da gehe Scheidegg den richtigen Weg, lobte sie Bürgermeister und Gemeinderat. Ausflugsfahrten, die die Tochter eines Busunternehmers verkaufte, sind nicht unbedingt ihr Ding. Monika Gorlo setzt sich für ihr Leben gern aufs Fahrrad. Radeltouren in der Gruppe am Bodensee, lautet ihr bescheidener Plan für den Ruhestand.

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