Der Whiskey fließt in Strömen. Es ist das 'Lebenswasser' des kleinen irischen Mannes, der viel verloren hat, Arbeit, Gesundheit, Frau, Kind, Auto. Nein, den Verstand noch nicht. Fast vielleicht, aber noch nicht ganz. Man hat ja noch ein Dach über dem Kopf.
Gott sei Dank, wenn auch in einer Gott verlassenen Gegend. Und dann ist ja Weihnachten. Ein Grund zum Feiern - und Trinken. Das ist die Ausgangslage von Conor McPhersons viel gerühmtem Schauspiel "Der Seefahrer". Das Münchner "a.gon Theater" eröffnete damit die Schauspielsaison im bestens gefüllten Theater in Kempten (TiK). Viele waren vor allem auch wegen einem gekommen: Jürgen Prochnow. Der 70-jährige Hollywoodstar hatte nach zehn Jahren Theaterabstinenz wieder einmal Lust auf Bühnenluft in seiner deutschen Heimat verspürt. Und er machte seine Sache gut und gab einen glaubwürdigen, melancholischen Verlierer-Typen: Sharky ist einer, der im Leben viel ausprobiert hat, den das Glück aber immer wieder zum Narren hielt. Der resigniert hat, keinen Alkohol mehr anrühren will und die Gängeleien seines erblindeten Bruders geduldig erträgt. In dem brüderlichen Haushalt ist er die gute weibliche Seele, die putzt, kocht und alles zusammenhält. Keine große Rolle zum Glänzen, denn die anderen, die Whisky-Trinker, spielen sich lallend in den Vordergrund.
Da ist Sharkys Bruder Richard (brillant Gustaf Gromer). Ein Schwätzer, der seine Saufkumpane als Familienersatz braucht. Und da ist der schusselige Ivan (witzig Martin Dudeck), der im Suff seine Brille verlegt. Die Zwei sind ein unschlagbares Duo im 'Wegtrinken' der eigenen Erbärmlichkeit. Später gesellt sich noch der großspurige Nicky (markig Peter Albers) dazu, der zur Pokerrunde am Heilig Abend einen ominösen Herrn mitbringt.
Dass Regisseur Stefan Zimmermann diese Rolle (nach der Erkrankung eines Schauspielers) mit einer Frau, Verena Wengler, besetzte, erweist sich jedoch als äußerst problematisch. Wengler – weiß geschminkt und schwarz gekleidet – gibt zwar ihr Bestes. Dennoch bringt sie das Schauspiel zum Kippen. Bei McPherson ist lange nicht klar, wer dieser Lockhart ist.
In der Inszenierung Zimmermanns ist alles mit dem ersten Auftritt glasklar: Lockhart ist Mephisto. Und wo Mephisto ist, geht es immer auch um eine Seele, die er holen will. Doch der weibliche Mephisto mag so gar nicht in die männliche Rüpelrunde um Sharky passen.
Dussel düpiert Höllen-Chef
Und für den gilt es ein letztes Pokerspiel zu gewinnen. 'Was wird mit mir geschehen, falls ich verliere?', fragt er. 'Dann kommst du in die Hölle', antwortet Lockhart. 'Was ist das?', fragt daraufhin Sharky. Doch der dusslige Ivan macht dem siegessicheren Höllen-Chef einen Strich durch die Rechnung. Ende gut alles gut? Nein, Denn auch Ivan scheint einmal einen Pakt mit Lockhart geschlossen zu haben.
Ja, das Böse ist nicht aus der Welt, weil es am Pokertisch verloren einmal hat.
'Der Seefahrer' ist – trotz Whiskey-Gelage – so etwas wie ein 'Faust light'. Und der Eindruck wird in der etwas brav geratenen Inszenierung Zimmermanns noch verstärkt. Dass es am Ende viel Applaus gab, lag aber vor allem an den lustvoll aufspielenden Schauspielern.