Schon bei der ersten Frage läuft das Gespräch aus dem Ruder. Zumindest wenn man herkömmliche Maßstäbe für Musiker-Interviews anlegt. Anstatt eine klare Antwort zu formulieren, reden die Fünf vom Holstuonarmusigbigbandclub – kurz HMBC – wild drauflos, werfen dem Reporter vom blauen Sofa aus, auf dem sie sitzen, Antwortfetzen um die Ohren, fangen zu diskutieren an. Als der Wortschwall nach längerer Zeit ein Ende findet, sagt Philipp Lingg: 'So geht’s bei uns immer zu.'
Es ist eine Art Warnung für alles, was in den nächsten 90 Minuten folgen wird, im Greenbee-Studio von Martin Bröll, das am Ortsrand von Andelsbuch im Bregenzerwald liegt. Hierher zu gelangen, war eine kleine Abenteuerreise. Man musste 'Einfahrt verboten'-Schilder ignorieren, eine Frau um Rat fragen ('Sie müssen so lange fahren, bis es nicht mehr weiter geht!') und zuletzt ein steiles, eisiges Strässlein nehmen.
Wer sich mit HMBC an einen Tisch setzt, gerät ins basisdemokratische Chaos. Auch wenn Bartholomäus Natter, der Flügelhornist und Trompeter, versucht, Sprecher zu sein, muss er doch dauernd mit verbalen Querschüssen klarkommen. Die prägnantesten steuert Philipp Lingg bei, der Sänger, Gitarrist, Akkordeonist und Liedtexter. Aber auch Andreas Broger, der etliche Holzblasinstrumente bläst, redet gerne mit.
Die Bär-Brüder Johannes und Stefan, die das tiefe Blech bedienen, sind die Ruhigeren in dieser rührigen Runde. Doch was von dem, was sie sagen, ist Witz, was Ironie, was Ernst? Was ist wahr, was falsch? Gar nicht so einfach.
Zwischen Volksmusik und Jazz
Halten wir uns zunächst an die bekannten Fakten. HMBC ist vor zwei Jahren das passiert, wovon wohl jede Band träumt: Die Gruppe landete einen Superhit, der sie schlagartig in Österreich und Süddeutschland bekanntmachte. 'Vo Mello bis ge Schoppornou', das von einer durchzechten Nacht und einer schmerzhaften Heimreise ('d’Füaß hend mr weh tau') erzählt, ist eine reggaeselige Trinkerballade mit umwerfendem Rhythmus und Text.
Seit 2003 ist der Holstuonarmusigbigbandclub in Vorarlberg unterwegs. In dem zungenbrecherischen Namen ist alles wie in einem Brennglas versammelt, was diese skurrile Truppe ausmacht: Tradition, Dialekt und Volksmusik, aber auch Rock, Pop und Jazz. Holstuonar waren übrigens Bauern, die sich nach getaner Arbeit, zusammenhockten, um zu trinken und zu musizieren.
In dieser Tradition verstehen sich Philipp (28), Andreas (27), Bartholomäus (27), Stefan (35) und Johannes (28), die sich von Kindheit an kennen. Die heimische Volksmusik ist die Wurzel, deshalb ist die volkstümliche Musik etwas, das sie wortreich verabscheuen. Natürlich spielten sie in den Blaskapellen ihrer Heimatdörfern, tun es teil- und zeitweise heute noch. Jetzt studieren sie in Wien, Salzburg und Feldkirch oder sind schon als freie Musiker unterwegs.
Johannes Bär, der wohl größte Virtuose in diesem musikalischen Elitezirkel, sowie Andreas Broger sind zudem Teil einer ziemlich abgefahrenen Jazz-Band ('David Helbock’s Random/Control').
Rund 100 Konzerte pro Jahr
Der spezielle Sound mit Blasinstrumenten, Akkordeon und der mit Körperteilen fabrizierten Percussion findet Fans aller Altersklassen und füllt große Säle – auch im Allgäu. An den Wochenenden treffen sie sich zum Üben im Bregenzerwald. An diesem Nachmittag feilen sie in Martin Brölls Tonstudio an Stücken für einen Auftritt im österreichischen Fernsehen. Und natürlich sind sie mit ihrem grauen Bandbus viel unterwegs. Rund 100 Konzerte pro Jahr geben sie.
Was hat sich geändert, nach dem großen Erfolg? 'Nix', sagt Bartholomäus Natter. Und wie üblich widersprechen ihm die anderen sofort. Natürlich sei die Auftragslage nun viel besser, wirft Philipp Lingg ein. Und angesprochen werde man halt auch öfter. Man kennt die Gesichter, vor allem das von Philipp Lingg, der Hauptperson im 'Mello'-Video. Fast vier Millionen Mal ist es auf Youtube angeklickt worden.
Und man müsse aufpassen, dass man sich selbst treu bleibe, sagen sie. Deshalb haben sie sich vorgenommen, ganz entspannt zu bleiben. Nur das zu machen, worauf sie wirklich Lust haben. Sich nicht verbiegen oder vermarkten zu lassen. Weiterhin basisdemokratisch zu entscheiden. Und deshalb arbeiten sie auch nicht explizit daran, einen Nachfolger für ihren Superhit zu komponieren.
'Wenn’s passiert, dann passiert’s', sagt Philipp Lingg.
Nächste Auftritte im Allgäu: am 25. März in Nesselwang (ausverkauft), am 18. Juli (20 Uhr) im Klostergarten Immenstadt (Open Air) und am 3. August (20 Uhr) in Betzigau (Open Air).