Sie ist immer noch eine Schönheit mit ebenso glanzvoll reiner und kräftiger Sopranstimme: Deborah Sasson stand beim 'Phantom der Oper', das am Silvesterabend im restlos gefüllten Festspielhaus präsentiert wurde, im Fokus des Interesses.
Der in Boston/Massachusetts geborene Weltstar (52) überzeugte das Publikum restlos und erntete einen Beifallssturm. Das 'Phantom der Oper', das mit Orchester rund 60 Mitwirkende in Füssen präsentierten, war nicht die 'klassische' Fassung von Andrew Lloyd Webber. Es war jene Neuinszenierung von 2006 unter musikalischer Leitung von Peter Moss, die sich stärker an der jetzt 100 Jahre alten Romanvorlage von Gaston Leroux orientiert. In starker personeller Besetzung waren Axel Olzinger in der Titelrolle, Jochen Sautter als Raoul und als Christine Daaé die Sopranistin Deborah Sasson zu erleben.
Einst mit dem vor Jahresfrist zu Grabe getragenen 'Heldentenor' Peter Hoffmann verheiratet, war sie an seiner Seite als Interpretin Richard Wagners in dessen Festspielhaus auf Bayreuths 'Grünem Hügel' groß geworden.
Während sie, wie sie im Pausengespräch in ihrer Garderobe verriet, dort als unscheinbares Blumenmädchen begann, sang 'der Peter' den Titelpart des Parsifal. Mit Mozarts 'Ave Verum' gab sie ihm sängerisch das letzte Geleit.
Zum Stück: Weil an der Pariser Opéra Garnier Primadonna La Carlotta (Rita Anton) ausfällt, muss Chormädchen Christine einspringen. Mit des 'Phantoms' Unterstützung singt sie Giacomo Pucchinis 'O mio babbino caro' so meisterlich, dass klar ist: Da kann was nicht stimmen! Als frisch gebackener neuer Opernstar steht sie fortan zerrissen zwischen Herz und Verstand, zerrissen zwischen großer Liebe und Karriere zwischen zwei Männern: Ihr Herz schlägt für Raoul Comte de Chagny, doch ihr Verstand sagt dazu nein und flüstert 'Phantom' ihr ein.
Je nach Situation in Mezzosopran nuancenreich variabel, drängte die Symbiose aus stimmlicher Gestaltung, leidenschaftlicher Gestik und inniger Mimik, niemals pathetisch übertrieben oder gar unnatürlich, auf mitfühlende Anteilnahme an ihren seelischen Leiden. Sehr beeindruckend auch die schauspielerische Leistung von Deborah Sasson, als Christine den geisterhaften Maskenmann demaskiert: Nur ganz kurz von seinem entstellten Antlitz schockiert, küsst sie es dann umso hingebungsvoll zärtlicher.
In der aus Eifersucht spannungsgeladenen Rivalität der beiden Männer, die – altersbedingt – viel weniger reif als die weit gereifte Frau zwischen ihnen wirken, zeigte sich der gebürtige Salzburger Axel Olzinger überzeugender. Der aus Stuttgart stammende und in Paris 'neben der Oper' lebende Sautter blieb emotional weitgehend verhalten.
In seiner sprachlichen und gesanglichen Artikulation ließen Klarheit und letzte Schärfe gewisse Wünsche offen. Stets tadellos war die instrumentale Begleitung aus dem Orchestergraben. Egal ob Oper, mitreißend fetzige Tritsch-Tratsch-Polka (J. Strauß), schmissige Marschmusik ('Auf geht’s') oder leichte Muse des Schlagers: Das Ensemble wirkte präzise und authentisch.
Letzter Glanz- und überragender Höhepunkt dann Deborah Sassons Solo-Zugabe: Im zauberhaften Rot ihres leuchtenden Abendkleides zelebrierte sie G. Bizets Arie 'Habanera' aus der Oper 'Carmen'.