Ein steinaltes Ehepaar lädt die Welt ein, die Lebensbotschaft des Mannes zu hören. Die beiden tragen Stühle herein, sie begrüßen die Gäste, die aber nur in ihrer Einbildung existieren. Das klingt absurd und ist auch so gemeint: in dem Schauspiel 'Die Stühle' von Eugene Ionesco.
Das Zürcher "Theater 58" zeigt das Stück des französisch-rumänischen Dramatikers im "Haus Oberallgäu" in Sonthofen. Inszeniert hat es Theaterleiter André Revelly (79). Mit ihm unterhielt sich Veronika Krull über unbesetzte Stühle und absurdes Theater. Warum haben Sie das Stück in Ihr Programm aufgenommen?
André Revelly: Das Stück ist für mich ein Schlüssel zum absurden Theater, eines der wichtigsten Stücke überhaupt. Ionesco zeigt die Absurdität unserer Existenz. Ionesco gibt aber keine Antworten, er lässt alles offen.
Ionesco hat das Stück 'Die Stühle' betitelt. Welche Bedeutung haben die Möbelstücke in dem Werk?
Revelly: Das ist ja so: Die beiden Alten erwarten ein Riesenpublikum. Der Alte hat eine Botschaft an die Menschheit. Die Menschen kommen der Reihe nach an. Der Witz ist ja, dass die beiden Alten die Gäste sehen, das Publikum aber nicht. Die Alten schleppen die Stühle rein. Die Stühle bedeuten die Leere, dass niemand kommt.
Für die Alten sind die Stühle besetzt. Die beiden bilden sich das ein. Das ist das Absurde, auch das Tragische.
'Die Stühle' sind genau 60 Jahre alt. Haben Sie das Stück in die Heute-Zeit versetzt?
Revelly: Das ist eigentlich gar nicht nötig. Bei uns spielen junge Schauspieler die Alten. Bei uns werden auch Stühle reingeschleppt, noch und noch. Das Stück ist eigentlich überzeitlich. Wenn Sie zum Beispiel die Bankenwelt sehen: Schein und Sein, genau diese Diskrepanz. Und für mich entscheidend ist diese Tragikomik. Das Stück hat ja eine ungeheure Komik. Es ist wirklich zum Lachen, wenn die Leute in Scharen kommen. Für Schauspieler ist das ein Fressen, das zu spielen. Auf der anderen Seite die Tragik. Der Alte, der eine Botschaft an die Menschheit hat, lässt einen Redner kommen.
Doch bevor er da ist, springen die beiden ins Wasser, und der Redner ist taubstumm. Die Antwort kommt nicht.
Ein Akt, drei Personen - besteht da nicht die Gefahr, dass sich der Zuschauer langweilt?
Revelly: Weiß Gott nicht. Das Stück stellt schon Anforderungen an ein Publikum, an ein theaterungewohntes Publikum. Auf der anderen Seite ist es sehr, sehr spannend zu sehen, wie die Schauspieler das machen: den Leuten aus dem Weg gehen, sie begrüßen. Das hat einen hohen Unterhaltungswert. Das ist auch interessant für junge Leute. Bisher hat mir jedenfalls noch niemand gesagt, dass es langweilig sei.
Das Leben: leer und sinnlos. Ist das die einzige 'Botschaft' von Ionesco?
Revelly: Ionesco will überhaupt keine Botschaft geben. Er erwartet, dass man ihm das Stück erklärt. Die Leere an sich ist das Thema, die Sinnlosigkeit der heutigen Zeit. Ionesco stellt dem entgegen, dass man einen Sinn suchen soll. Aber er gibt kein Rezept. Es ist also eine Aufforderung an das Publikum, selbst nach einem Sinn zu suchen.
Gastspiel: Das Schauspiel 'Die Stühle' wird am Donnerstag, 13. Oktober, um 20 Uhr im 'Haus Oberallgäu' in Sonthofen aufgeführt. Karten gibt es im Vorverkauf beim städtischen Gästeamt Sonthofen, Telefon 08321/615-291, oder ab 19 Uhr an der Abendkasse.