Als Casper die nebelgeflutete Bühne betritt, ertönt ohrenbetäubendes Gekreische. Handys werden in die Luft gehalten und filmen, bis die ersten Beats ertönen und er mit seiner durchdringenden Reibeisenstimme die Wände schier zum Einstürzen bringt.
Erinnerung an den Freund
Casper ist anders als andere Rapper. Er verweigert sich Klischees, was ihn in der Szene angreifbar gemacht hat. Schimpfwörter? Frauenverachtung? Fehlanzeige. Stattdessen geht es um den viel zu früh verstorbenen Freund ('Michael X'), die Perspektivlosigkeit seiner Generation ('Der Druck steigt') und seinen Vater, einen US-Soldaten, der zu wenig Zeit für ihn hatte ('Das Grizzly Lied').
Der 29-jährige Bielefelder traut sich, seine innere Zerrissenheit, seine Schwächen und seine dunkelsten Stunden zu offenbaren. Das macht ihn angreifbar in der Hip-Hop-Szene, in der nach wie vor der harte Kerl den Idealtypus verkörpert – aber auch verdammt erfolgreich.
Sein Album 'XOXO' war Nummer 1 der Charts, die Feuilletons kürten ihn zum Retter des deutschen Sprechgesangs und auch sein Konzert im 600 Besucher fassenden Club Vaudeville in Lindau war schon Wochen vorher ausverkauft.
Wie fürs Poesiealbum
Der Auftritt am Bodensee zeigt, wie sehr sich Casper gewandelt hat. Seine alten Lieder sind eher Hip-Hop-lastig, die neuen zeugen von seiner tiefen Verwurzelung in der Hardcore- und Indierock-Szene. Sprechgesang trifft Rockgitarren – das hebt seinen klug gereimten Hip-Hop in neue Dimensionen. In einem Moment scheint der Laden zu explodieren, im nächsten sorgen Klavier und nachdenkliche Worte für Gänsehaut.
'Jeder von uns ist Kunst, gezeichnet vom Leben' – einer seiner vielen Sätze, die wie fürs Poesiealbum geschaffen sind. Einen völlig unerwarteten äußert Casper zum Schluss, ganz ohne Musik: 'Danke fürs Zuhören' – und verschwindet wieder von der Bühne.