Florian schaut einmal kurz um sich, hebt dann den Blick, senkt die Stimme und flüstert rücksichtsvoll: 'Nicht so laut. Die kleinen Kinder.' Und dann erzählt der junge Bremer, wie er das so sieht mit den Wolpertingern. Dass er ja oft altersmäßig unterschätzt werde. Aber dass er schon 13 sei. Und – tja – dass er das Thema Fabeln bereits in der Schule hatte. Nein, dem 13-Jährigen kann man bei dieser Fackelwanderung durchs nächtliche Moosbach nun wirklich kein X für ein U vormachen. Und so rechnet er – und unterstreicht das mit einem kräftigen Kopfschütteln – auf dem Weg nach Untermoos definitiv nicht damit, auf ein solches Fabelwesen zu treffen. Höchstens vielleicht ein bisschen.
Gerade bricht die Dunkelheit übers Oberallgäu herein, als die letzten der knapp 40 Fackelwanderer vor dem Pavillon in Moosbach eintreffen. Worum es bei dem knapp eineinhalbstündigen Marsch zur Gschwend-Ranch in Untermoos genau gehen wird, erklärt Josef Barensteiner, Erfinder der Wanderung auf Wolpertinger-Spuren. Und was er da erzählt, lässt zumindest die jüngsten Teilnehmer ein wenig näher an Mama oder Papa rücken. Denn den Wolpertinger beschreibt Barensteiner als, nun ja, eher ungemütlichen Gesellen. Eine Mischung aus Hase und Adler, Gans und Fuchs soll er sein mit langen Krallen und einem buschigen Schwanz. Und Monika Böck, die die Expedition leitet, fügt noch an, dass auf die großen, rotglühenden Augen zu achten sei. 'Er ist scheu', sagt Böck, 'aber es kann schon sein, dass er zurückschlägt, wenn Kinder ihn in die Enge treiben.'
Doch eigentlich ist ja genau das der Spaß an der Sache. Schließlich geht es darum, einen Wolpertinger zu fangen. Ein Sack und ein Seil sind deshalb auch dabei, als sich der Fackelzug am See entlang in Bewegung setzt.
Mittlerweile ist es stockdunkel, nur die Fackeln sorgen für etwas Licht. Und irgendwie, das stellt schnell auch Zweifler Florian fest, wird es dann doch ein wenig unheimlich, als gedämpfte Schreie aus dem Wald dringen. 'Schnell, da könnte er sein', treibt Monika Böck die Gruppe in Richtung Wald. Ein Herz fasst sich schließlich Florians Bruder, der achtjährige Bastien. Er drückt Papa Heini seine Fackel in die Hand, schnappt sich Sack und Seil und stürmt los, mitten ins Dunkel hinein.
Der Rest der Gruppe folgt etwas zögerlich. So sind sich beispielsweise der siebenjährige Florian und seine zwei Jahre ältere Schwester Daniela aus dem Raum Stuttgart plötzlich nicht mehr so sicher, ob sie den Wolpertinger überhaupt fangen wollen. Auch die sechsjährige Annika bleibt lieber an der Hand von Mama Michaela und will den Wolpertinger nur – aber auch nur – von dort aus zu Gesicht bekommen.
Den ganzen Weg über werden die Wanderer von Schreien verfolgt. Und wer genau hinsieht, dem leuchten aus dem Unterholz auch zuweilen rot glühende Augenpaare entgegen. Nur in seiner ganzen Pracht freilich lässt sich der Wolpertinger nicht blicken.
Letztlich ist das auch nicht schlimm: Auf der Gschwend-Ranch warten Lamas und Pferde auf die Kinder, es gibt Tee, Kartoffelsuppe und Glühwein für die Eltern. Die sind übrigens auch begeistert von der Fackelwanderung, die es in der Form heuer zum zweiten Mal gab: 'Herrlich ist das', freut sich beispielsweise Angela Windels, die Mutter von Florian und Bastien. Letzterer will übrigens nicht aufgeben: 'Auf dem Rückweg krieg ich ihn', kündigt der Achtjährige an. Und lässt Sack und Seil beim Suppeessen sicherheitshalber nicht aus den Augen.