Otto Schmid, Vorstandsvorsitzender der Raiffeisenbank Oberallgäu-Süd, musste nach knapp zwei Stunden die Veranstaltung im Sonthofer "Haus Oberallgäu" abbrechen. Grund dafür war der 75-jährige Referent des Raiffeisen-Forums, der "Schraubenkönig" Reinhold Würth. Aber nicht wegen Altersschwäche des Redners war Schluss.
Ganz im Gegenteil: der rüstige Schwabe aus Künzelsau (Baden-Württemberg) war auf dem Sprung zum Allgäu Airport Memmingen. Um das Nachtflugverbot einzuhalten, musste er vor 22 Uhr auf dem Flugplatz sein. Denn von dort aus startete er zu einer Geschäftsreise nach Peking - in der eigenen Maschine. Und zwar am Steuerknüppel. "Aber nicht die ganze Strecke", wie er zur Beruhigung der verblüfften Zuhörer anfügte. Falls er müde würde, hätte er zwei Piloten dabei.
Schon früh Ruder übernommen
Auch im Berufsleben musste der "Vollblut-Unternehmer", wie ihn Otto Schmid titulierte, schon früh das Ruder übernehmen. Sein Vater starb an einem Herzinfarkt, als Reinhold Würth erst 19 Jahre alt war. Er jammerte nicht lange. Gemäß seines Lebensmottos "Schaffa, net schwätza" packte er an. In der Folge bewies der junge Firmen-Chef ein gutes Gespür bei der Besetzung von wichtigen Stellen. Denn nur mit motivierten Mitarbeitern kann ein Unternehmen erfolgreich sein. Überhaupt der Faktor Mensch: "Vor 15 Jahren dachte man, in zehn Jahren brauche man keinen Außendienst mehr. Das werde alles über Computer und Internet gehen. Das war ein Trugschluss. Der Mensch ist wichtiger denn je." Bei der Vereinsamung der Leute durch den Computer würden soziale Kontakte immer wichtiger. Auch im Geschäftsleben.
Gutes Personal will aber auch gepflegt werden. Als es wieder mal in einem Sektor einen Umsatzrekord gab, bekamen alle beteiligten 5000 Mitarbeiter einen Panettone. So ein italienischer Kuchen kostet 7,50 Euro. "Das ist keine roße Sache, bringt aber viel", sagt der Milliardär. Mit solchen kleinen Anerkennungen zeigt die Unternehmensspitze ihre Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern. Dieses Beispiel passte zur Überschrift von Würths Vortrag in Sonthofen "Unternehmerische Verantwortung in einer globalisierten Welt."
Zur guten Laune trägt auch die Betriebssportgemeinschaft mit 25 Disziplinen vom Breakdance bis zum Skifahren bei. Darüber hinaus bekommen die besten Verkäufer eines Jahres auch mal Urlaubsreisen mit der ganzen Familie geschenkt. So etwas wird dann in der Firmenzeitung publiziert.
Das könne durchaus dazu führen, dass Ehefrauen von Würth-Mitarbeitern, die noch nicht zum Zuge kamen, schon mal ihre Männer darauf aufmerksam machen, dass sie auch mal gern nach Wien oder an die Ostsee reisen würden
Würth ist auch ein großer Freund der Kunst und hat Museen in ganz Europa gebaut. Natürlich nicht ohne Hintergedanken: "Das sind auch PR-Aktionen für unser Unternehmen." Freilich: "Ein Unternehmen kann nur sozial sein, wenn es Geld verdient", lautet ein weiterer Satz von Reinhold Würth. Und Geld verdient die Gruppe reichlich. Die 60000 Mitarbeiter weltweit erwirtschafteten im Krisenjahr 2009 einen Umsatz von 7,5 Milliarden Euro. Davor waren es knapp neun Milliarden. Diese Summe dürfte heuer erneut erreicht werden.
Nur noch ein Bruchteil
Der Erfolg der Würth-Gruppe liegt im Verkauf. Von den 100000 Produkten, die Handwerker zum Befestigen brauchen (Schrauben, Spaxe, Bohrer, Klemmen usw.), produziert Würth nur noch einen Bruchteil selbst. Die meisten Artikel kommen von Zulieferern. Dabei legt Würth großen Wert auf Qualität. Denn "Qualität schlägt Preis", sagt der "Schraubenkönig", der schon mehrfach das Ansinnen von Kunden abgelehnt hat, eine Billigschiene aufzulegen. "Wegen 20 Prozent der Kunden, die billigere Produkte wollen, verärgern wir nicht die anderen 80 Prozent, die unsere Qualität schätzen."
So sprach der Schrauben-Überflieger beim Raiffeisen-Forum in Sonthofen. Und entschwebte Richtung China, wo Würth zwölf Vertriebs- und zwei Einkaufsgesellschaften hat.