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ADAC-Trainer erklärt, wie Laster bei Unfall Pkw vor sich herschieben konnte

Interview

ADAC-Trainer erklärt, wie Laster bei Unfall Pkw vor sich herschieben konnte

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    ADAC-Trainer erklärt, wie Laster bei Unfall Pkw vor sich herschieben konnte
    ADAC-Trainer erklärt, wie Laster bei Unfall Pkw vor sich herschieben konnte Foto: jã¶rg schollenbruch

    Ein 40 Tonnen schwerer Holzlaster hat einen Pkw rund 300 Meter vor sich hergeschoben - ohne, dass der Lkw-Fahrer es bemerkte. Erst als er verbrannten Gummi roch, wurde er aufmerksam (der Fall im Detail siehe Infokasten). Wie so etwas passieren kann, darüber sprachen wir mit Ralf Müller-Wiesenfarth, Betriebsleiter und Cheftrainer beim ADAC-Fahrsicherheitszentrum in Kempten. Dort wurde die Situation außerdem mit stehenden Fahrzeugen für unsere Zeitung nachgestellt.

    Herr Müller-Wiesenfarth, haben Sie schon einmal von einem solchen Unfall gehört?

    Müller-Wiesenfarth: Nein. Es gibt ähnliche Unglücke, bei denen ein Pkw von einem Lkw touchiert wird und sich das Auto zur Seite wegdreht. Aber ein Unfall, wie der in Kempten, ist mir noch nicht untergekommen. Das ist selten und sehr eigenartig gelaufen.

    Aber offensichtlich nicht unmöglich. Bleibt die Frage: Hätte der Lkw-Fahrer das nicht merken müssen?

    Müller-Wiesenfarth: Nicht unbedingt. Man sollte es zwar meinen, weil man bei der Sitzhöhe gut über alles drüber schauen kann. Aber das Drüber ist genau das Problem. Etwas, das direkt auf der Straße liegt, sieht ein Lkw-Fahrer nur bis zu einem Abstand von ungefähr fünf Meter vor dem Fahrzeug. Ein Auto, das quer vor dem Lkw steht, bemerkt er nicht.

    Einschub: Eine Sitzprobe

    Um anschaulich zu machen, was er meint, bittet Müller-Wiesenfarth zu einer Sitzprobe in einem Laster. Diese bestätigt: Vom rund 1,50 Meter breiten Mittelklasse-Testauto sind nur bei einem direkten Blick nach unten wenige Zentimeter Dach sichtbar. Schaut der Lkw-Fahrer - was üblich ist - geradeaus auf die Straße, ist das Auto schmaler oder der Lkw-Sitz anders eingestellt, bleibt der Pkw unsichtbar.

    Sie haben Recht: Kein Auto zu sehen. Aber hätte der Lenker des Holzlasters nicht zumindest merken müssen, dass er etwas vor sich herschiebt?

    Müller-Wiesenfarth: Der Lkw war voll beladen. Da wiegt er rund 40 Tonnen. Mit diesem Gewicht von hinten, bekommt der Fahrer nicht mit, ob er noch ein paar hundert Kilo mehr vor sich herschiebt. So ein Lkw mäht einen Baum um, an dem ein Auto längst stehen bleibt.

    Aber die Reifen sind aus Gummi. Das bremst doch

    Müller-Wiesenfarth: Ja, aber die Verzögerung ist minimal. Das fällt erst auf, wenn es nach Gummi stinkt.

    Und was ist mit dem Moment, in dem der Laster das Auto berührt?

    Müller-Wiesenfarth: Das hätte der Fahrer schon merken müssen. Da rumpelts ja. Allerdings ist es möglich, dass er abgelenkt war. Und wenn er das Auto nur leicht touchiert hat, kann es auch sein, dass er nichts gespürt hat. Ähnlich ist das ja bei diesen tragischen Unfällen, wenn Radler vom Lkw überrollt werden und der Fahrer nichts merkt.

    Passiert das oft?

    Müller-Wiesenfarth: Ja, das ist der klassische Fall. Denn ein Lkw hat auch zu den Seiten hin jeweils einen toten Winkel von rund drei Metern und nach hinten sowieso. Deshalb passiert es schnell, dass beim Abbiegen Radfahrer übersehen werden.

    Gibt es dafür Lösungen?

    Müller-Wiesenfarth: Neue Lkw haben Zusatzspiegel über und unter den Seitenspiegeln. Aber ältere Kisten haben die noch nicht - zumal sie nicht vorgeschrieben sind.

    Um zum Schluss noch mal auf den Unfall in Kempten zurück zu kommen: Wie kann sich denn ein Autofahrer verhalten, dem so etwas passiert?

    Müller-Wiesenfarth: (überlegt) Viele Möglichkeiten hat er nicht. Er kann versuchen, sich bemerkbar zu machen, in dem er hupt oder aus dem Schiebedach winkt - so blöd das klingt. Er kann theoretisch auch probieren, nach vorne wegzufahren. Nur steht er dann quer auf der Straße. Und letztlich wird ein Autofahrer, der einen Lkw-Kühlergrill direkt neben sich sieht, sowieso in Panik und mit sich selbst beschäftigt sein.

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