Es besteht der Verdacht, dass in der Seniorenresidenz Schliersee über mehrere Jahre hinweg mehrere Bewohner vernachlässigt wurden. Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt wegen Körperverletzungsdelikten bei 88 Bewohnern und prüft 17 Todesfälle. Die Senioren könnten verhungert sein, so der Bayerische Rundfunk (BR).
Stundenlang in eigenen Ausscheidungen gesessen
Reporter des BR haben über mehrere Monate recherchiert. Gegenüber dem BR schilderten Angehörige von ehemaligen Bewohnern und ehemalige Mitarbeiter, dass Senioren in dem Heim am Schliersee verwahrlosten. Ein ehemaliger Bewohner habe gesagt, dass er um jede Hilfe betteln musste und einige Bewohner zum Teil stundenlang in den eigenen Ausscheidungen sitzen mussten. Wie der BR weiter mitteilt, haben die Recherchen gezeigt, dass die Heimaufsicht des zuständigen Landratsamtes Miesbach nicht allen Beschwerden nachgegangen ist. Eine "Gefahr für Leib und Leben", so bewerteten mehrere Behördenvertreter die Situation im Heim im Mai 2020. Bisher habe die Kriminalpolizei rund 150 Zeugen befragt. Eine Ex-Mitarbeiterin sagte gegenüber dem BR, sie könne nicht verstehen, wie so ein Heim in Deutschland überhaupt existieren darf.
Nur ein Aufnahmestopp für das Heim
Wegen der massiven Pflege- und Hygienemängel hätte das Heim Ende Mai 2020 geschlossen werden sollen, doch der Landrat Löwis entschied sich lediglich für einen Aufnahmestopp. Er habe kein juristisches Instrument, das Heim zu schließen. Das Heim würde aber seit seinem Amtsantritt im Mai 2020 strenger überwacht, so der Landrat. Das italienische Unternehmen Sereni Orizzonti ist seit Mai 2019 der Betreiber der Seniorenresidenz und bestreitet, an Qualität und Pflege zu sparen. Nach BR-Informationen ermitteln Staatsanwaltschaften in Deutschland, Italien und Spanien zu Heimen dieses Betreibers. Siro Bona war bis zum Sommer 2020 verantwortlich für die Seniorenresidenz. In einem Interview des BR mit dem Pressesprecher, Vittorio Pezzuto betont dieser, dass die Seniorenresidenz nicht geschlossen wurde. "Das ist ein Zeichen dafür, dass wir alle Standards einhalten", so Pezzuto. Eine Mängelliste der Heimaufsicht vom Januar 2021 beträgt allerdings 18 Seiten. Unter anderem steht darin, dass Bewohner falsche Medikamente erhalten und noch immer unterernährt sind. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft laufen noch. Ob es zu einem Prozess kommen wird, ist offen. Bis dahin gilt die Unschuldsvermutung, so der BR.