Mike Love, im Juni starb Brian Wilson nach langer Krankheit. Wie erinnern Sie sich an ihn?
MIKE LOVE: Wie alle Familien hatten wir unsere Aufs und Abs. Aber wir haben nie aufgehört, uns zu lieben, und ich habe nie aufgehört, Brian ehrfürchtig für das zu bewundern, was er konnte, wenn er am Piano saß. Meine Frau Jacqueline und ich sind am Boden zerstört, dass er nicht mehr da ist. Brian war zerbrechlich, er war intensiv, er war lustig – er war einfach ein einmaliger Mensch.
Nun treten Sie mit den Beach Boys in diesem Sommer in Europa und unter anderem beim „Stimmen“-Festival in Lörrach auf. Was wissen Sie über diese südwestliche Ecke von Deutschland?
MIKE LOVE: Lörrach liegt im Schwarzwald, nicht wahr? Ich habe mich noch nicht genau mit den Gegebenheiten beschäftigt, aber ich kann bereits versprechen, dass ich Pfannkuchen essen werde. Deutsche Pfannkuchen sind vorzüglich, ich liebe die vielen Eier darin.
Sie sind der letzte Musiker aus der Originalbesetzung, der noch als Beach Boy auf der Bühne aktiv ist. Was treibt Sie an?
MIKE LOVE: Die Liebe zur Musik und zu unseren Songs. Die Beach Boys sind mein lebenslanges Hobby. Schon meine Mutter war von Musik besessen, und sie hat ihre Leidenschaft an mich weitergegeben, als ich noch sehr klein war. Unser Wohnzimmer war immer voller Instrumente, wir hatten einen Flügel und sogar eine Harfe. Meine beiden Schwestern haben Harfe gespielt, eine von ihnen ist sogar auf einigen unserer Songs zu hören. Als mein Cousin Brian und ich anfingen, gemeinsam Harmonien, Melodien und die passenden Texte zu entwickeln, die in der Mehrheit von mir stammten, haben wir etwas erschaffen, was von den Menschen geliebt wurde. Und immer noch geliebt wird, sogar 65 Jahre später.
Fühlt sich das gut an?
LOVE: Das fühlt sich wunderbar an. Ich genieße es mit allen Sinnen, wenn die Leute mit mir in Lieder wie „California Girls“, „I Get Around“ oder „God Only Knows“ einstimmen. Lieder, die sie oft schon ihr Leben lang begleiten und bei denen ihnen warm ums Herz wird. Mir bedeutet das wirklich immens viel, und es macht mich auch stolz. Erst vor zwei Jahren veröffentlichte ein britischer Professor eine Studie, die zu dem Schluss kommt, dass „Good Vibrations“ der Song ist, der die Menschen am fröhlichsten macht.
„Good Vibrations“ entstand 1966. Erinnern Sie sich, wie das Lied zustande kam?
LOVE: Brian hatte die Melodie, Carl Wilson und ich warfen uns die lyrischen Bälle zu. Das war zu der Zeit des Vietnamkriegs, der Studentenbewegung und der antirassistischen Proteste. Das Land war in Aufruhr. Und wir kamen ausgerechnet in dieser gereizten Stimmung mit einem kleinen, unschuldigen Lied über die Gefühle zu einem Mädchen daher.
Auch heute gibt es überall gesellschaftliche Spannungen. Lässt sich die Stimmung 2025 mit der Stimmung 1965 vergleichen?
LOVE: Ich denke, zu jeder Zeit gibt es Dinge auf der Welt, die gut laufen und Dinge, die ganz furchtbar laufen. Das war in den Sechzigern nicht anders als heute. Damals haben wir Amerika und der Welt einen Traum vermittelt und den Menschen geholfen, an Freiheit, Freude und Lebensglück zu glauben. Unsere Aufgabe als Beach Boys war und ist, das Positive zu nehmen und es zu verstärken. Unsere Lieder sind durchweg optimistisch, wir singen über die schönen Seiten des Lebens, über das Meer, den Strand, die Mädchen. Der Reiz unserer Lieder ist auch deshalb so unvermindert groß, weil der Schrecken wechselt, das Schöne und Gute aber im Großen und Ganzen immer konstant bleibt.
Donald Trump ist ein Freund von ihnen, schon seit vielen Jahren. Wundern Sie sich, was er als Präsident da eigentlich treibt?
LOVE: Bei Donald weißt du nie genau, wo du dran bist. Er sagt unvorstellbare Dinge, manchmal macht er auch unvorstellbare Dinge, auch ich komme da gedanklich oft nicht hinterher. Als Beach Boys haben wir uns aber nie sehr ins politische Geschehen verstricken lassen, weil unsere Musik überall auf der Welt gehört wird. Menschen unterschiedlichster Kulturen, Religionen und Lebensauffassungen kommen zusammen, um „Surfin‘ USA“ oder „Kokomo“ zu hören. Wir heißen jeden und jede gern willkommen, und dabei wollen wir es belassen. Wir sind eine tolerante Gruppe von Musikern.
Wie ist Donald Trump denn so privat?
LOVE: Wir kennen ihn ewig, haben zum Beispiel auf seinem fünfzigsten Geburtstag gespielt. Zu uns war er immer sehr nett und zuvorkommend. Gut möglich, dass andere Menschen andere Erfahrungen mit ihm machen, aber als Musiker sind wir halt da, um die Leute – und dazu gehört auch Donald – zu erfreuen und ihnen eine angenehme Zeit zu bereiten.
Sehen Sie die Beach Boys als Botschafter des kalifornischen Lebensgefühls?
LOVE: Ja, das ist ganz ohne Zweifel der Fall. Unsere Songs funktionieren überall auf der Erde, man muss dazu nicht einmal die englische Sprache verstehen. Wir haben unzählige Fanbriefe aus Russland bekommen, mitten im Kalten Krieg, auch aus China. Ein Iraner erzählte mir, dass er unsere Musik immer dabei hat, wenn er im Iran Urlaub macht. Auch in Israel hatten wir mehrere große Hits. Wir können niemandem das Ende der Konflikte aufzwängen, aber an den Beach Boys scheitert die Verständigung ganz bestimmt nicht. Und bis heute finden wir es wundervoll, mit unseren Liedern an solche einmaligen Orte reisen zu können, die wir sonst vermutlich niemals sehen würden.
War euch frühzeitig bewusst, dass ihr Songs für die Ewigkeit schreibt?
LOVE: Nein, das kannst du mit 18 oder 20 Jahren noch nicht wissen. Daran denkst du auch nicht. Wir haben über die Dinge gesungen, die wir kannten. Den Strand, Surfboards, Autos, Mädchen. Es war nicht sehr kompliziert.

Haben Sie es als junger Mann geliebt, ein Popstar zu sein?
LOVE: Als Popstar habe ich mich eigentlich nie gesehen. Ich war ein junger Mann, der das Glück hatte, mit seinen Cousins und weiteren talentierten Menschen singen zu können und sehr erfolgreich zu werden. Aber unsere Lieder waren definitiv berühmter als wir selbst.
Nach den sehr erfolgreichen Sechzigern gerieten die Beach Boys ins Trudeln, 1988 aber kam ein großes Comeback mit dem Song „Kokomo“, einer Nummer-eins-Single aus dem Soundtrack zum Film „Cocktail“. Hätten Sie danach nicht dranbleiben sollen?
LOVE: Nun, ja, das hätten wir. Aber es war kompliziert mit den Beach Boys. Mein Cousin Brian war ja nicht einmal Teil von „Kokomo“, er stand zu der Zeit unter der Kontrolle seines Nervenarztes Dr. Landy, insgesamt war „Kokomo“ mehr eine Gemeinschaftsarbeit von John Phillips, Terry Melcher und mir. Nichtsdestotrotz bin ich superstolz auf „Kokomo“. Bei unseren Konzerten ist es das Lied, das immer am lautesten mitgesungen wird.
Heute ist Ihr Sohn Christian Love Teil der Beach Boys. Was kann er?
LOVE: Er singt mit uns, und er macht das großartig. Eine weitere große Stütze ist unserer musikalischer Direktor Brian Eichelberger, die die hohe Stimme und den Hauptgesang auf „Don’t Worry Baby“ und auf „The Warmth Of The Sun“ übernimmt. Wir haben die Songs für die Liveshows zwar etwas modifiziert, „Good Vibrations“ endet zum Beispiel mit mehr Dynamik als die Originalversion, doch wir sind regelrecht besessen davon, die ursprüngliche Magie der Aufnahmen auch auf die Bühne zu bringen.
Denken Sie, es wird die Beach Boys irgendwann ganz ohne Original-Beach-Boys geben?
LOVE: Ja, davon gehe ich aus. Zum einen wird es die Songs im Streaming immer und überall geben, auch dann, wenn wir nicht mehr da sind. Unsere Lieder werden zudem endlos oft gecovert. Und die Anzahl der Tribute-Bands steigt nach meinem Gefühl von Jahr zu Jahr. Musik, die die Menschen emotional berührt, beinhaltet immer auch ein Element der Unsterblichkeit. Ich bin überzeugt, dass auch unsere Enkelkinder noch „Good Vibrations“ und „Kokomo“ singen werden.
Zur Person Mike Love, geboren 1941 in Los Angeles, ist Gründungsmitglied der Beach Boys, einer der berühmtesten Bands der Musikgeschichte (1961). Zusammen mit seinen Cousins Brian, Carl und Dennis Wilson, sowie dem befreundeten Al Jardine lieferte er den Soundtrack zu einem unbeschwerten, sonnigen Lebensgefühl. Hits wie „Surfin‘ U.S.A.“ sind weltweit bis heute populär, das 1966 veröffentlichte „Pet Sounds“ gilt als eines der besten Pop-Alben aller Zeiten. Nun sind die drei Wilson-Brüder alle tot und Jardine in Rente, aber Mike Love, inzwischen 84, tourt unverdrossen weiter durch die Weltgeschichte, unter anderem jetzt gemeinsam mit seinem Sohn Christian. Sein einziger Deutschland-Auftritt ist am 18. Juli beim Stimmen-Festival in Lörrach.
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