Worum geht es?
Allgemein geht es um die Wohnanlage Wölblinstraße 21 bis 29. Hier sollen aus rund 30 Wohnungen etwa 40 Mieterinnen und Mieter ab April 2023 bis geplant Jahresende 2023 ausziehen. So will die Stadt Lörrach, wie sie am Montag zusammen mit der Wohnau Lörrach mitteilte, Platz für ca. 100 Geflüchtete aus der Ukraine und anderen Ländern geschaffen werden. Die Stadt hat die Mieter der Wohnungen darüber in einem Schreiben informiert.
Was stand in dem Schreiben?
Das Schreiben erläuterte den Mietern die Situation folgendermaßen:
Sehr geehrter (Mieter)
wie Sie wissen, hat Deutschland einen erheblichen Zustrom von Flüchtlingen aus der Ukraine und anderen Weltregionen zu verzeichnen. Auch die Stadt Lörrach und der Landkreis sind zur Unterbringung verpflichtet.
Neben den geplanten Flüchtlingsheimen wurde intensiv nach weiteren Standorten gesucht. Wegen der besonderen Eignung werden wir unsere Liegenschaft Wölblinstraße 21 bis 29 in Lörrach für diesen Zweck zur Verfügung stellen. Für Sie bedeutet das, das wir in Kürze das mit Ihnen vereinbarte Mietverhältnis kündigen werden. Allerdings werden wir Ihnen alternativen geeigneten Wohnraum anbieten und Sie beim Umzug unterstützen, auch finanziell.
Wie waren die Reaktionen?
Als Folge auf diese Nachricht kam es in den sozialen Medien und in gewissen Kreisen zu einem regelrechten Shitstorm. Denn der Fall Lörrach steht sinnbildlich für das Problem der Unterbringung der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge, mit dem gerade viele Städte und Landkreise bundesweit kämpfen. Die Angst ist groß, dass so ein Vorgehen auch in anderen Städten praktiziert wird und dass Mieter ihre Wohnungen für Flüchtlinge räumen müssen. Der AfD-Bundestagsabgeordnete Roger Beckamp äußerte sich dazu beispielsweise so: "Dieser Fall ist an Zynismus kaum zu überbieten. Menschen, die dort teilweise schon jahrzehntelang wohnen, sollen nun ukrainischen Flüchtlingen weichen. Der Vorgang steht sinnbildlich für Deutschland und einer verachtenswerten Politik gegenüber Inländern."
Wie äußerten sich die Stadt und die Wohnbau Lörrach?
Die Stadt und die Wohnbau Lörrach äußerten sich daraufhin am Mittwoch in einem Mediengespräch zu der Sachlage. Thomas Nostadt, Geschäftsführer Wohnbau Lörrach erklärte: "Unser oberstes Anliegen ist, dass niemand unserer Mieterinnen und Mieter auf der Straße steht. Die Wohnbau Lörrach hat es bei vergleichbaren Situationen in der Vergangenheit ebenfalls geschafft, gute Lösungen für alle Beteiligten zu finden."
Oberbürgermeister Jörg Lutz machte zudem klar: "Die fortwährende Dauer des Krieges sowie die anhaltenden Krisen- und Kriegssituationen in anderen Ländern auf der Welt wie beispielsweise in Afghanistan, Syrien oder in den afrikanischen Staaten veranlassen Menschen zur Flucht. Diesen Menschen gilt es nach den Regeln der bundesdeutschen Gesetzgebung, aber auch auf Basis der UN-Menschenrechtskonvention zu helfen. Die Stadt Lörrach ist seit Jahren bestrebt und zugleich auch verpflichtet, diesen Menschen die notwendige Hilfe zukommen zu lassen."
Warum werden Menschen in der Wölblinstraße nicht einfach auf die Straße gesetzt?
Doch Stadt und Wohnungsbaugesellschaft waren damit noch nicht fertig. In einem Faktenblatt legte die Stadt die besondere Situation in der Wölblinstraße dar: Dem Blatt ist zu entnehmen, dass die Mieterinnen und Mieter der Wohnungen, um die es geht, in der nahen Zukunft sowieso hätten ausziehen müssen. Die Wohnanlage ist nämlich schon aus den 1950er-Jahren. "Es sind sehr einfache Häuser der Nachkriegszeit (1953), die zwar verkehrssicher sind, aber viele Defizite aufweisen", heißt es in dem Faktenblatt. Aus diesen Gründen wären die Gebäude noch in diesem Jahr, oder spätestensv im nächsten Jahr, sowieso abgerissen worden, weshalb die Bewohnerinnen und Bewohner dann sowieso umziehen hätten müssen. Da nun allerdings die Flüchtlingssituation einige Schwierigkeiten mit sich bringt, sollen die Häuser "für die Unterbringung geflüchteter Menschen angeboten" werden.
Wieso werden die unbelegten Wohnungen nicht einfach gleich den Geflüchteten angeboten?
Dazu steht in dem Faktenblatt:
"Zum einen wäre es schwer vermittelbar, wenn Geflüchtete in Neubauwohnungen mit hohem Komfort einziehen. Zum anderen braucht die Stadt Lörrach unterschiedliche Wohnangebote, weil die Wohn- und Betreuungsbedarfe der Geflüchteten sehr unterschiedlich sind."
Wie geht es jetzt weiter?
Bisher wurden keine Kündigungen ausgesprochen, erklärt die Stadt. Wenn dies zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen sollte, werde sich die Kündigung auf ein berechtigtes öffentliches Interesse stützen, weil die Stadt Lörrach Hauptgesellschafterin der Wohnbau Lörrach ist. Eigentlich hätten die Mieterinnen und Mieter der betroffenen Wohnungen auch am nächsten Montag (27. Februar) im Zuge einer Bewohnerversammlung informiert werden sollen. Diese Versammlung wurde nun jedoch "aufgrund der aktuellen Situation" abgesagt. Die Wohnbau Lörrach will nun mit den Mieterinnen und Mietern vertrauliche Einzelgespräche führen. Wie Nostadt sagt, waren diese Einzelgespräche sowieso "von vornherein angedacht". Oberstes Anliegen sei Nostadt zufolge eben, dass "niemand auf der Straße steht."