In diesen Tagen stehen behinderte Sportler aus aller Welt bei den Paralympics in London im Rampenlicht. Grund genug, bei der Behindertenbeauftragten des Landkreises Ostallgäu und der Stadt Marktoberdorf, Waltraud Joa, nachzufragen, wie sehr denn das Bewusstsein für die Belange von Menschen mit Handicap inzwischen im Alltag verwurzelt ist.
Schauen Sie sich die Paralympics im Fernsehen an?
Joa: Ja, auch wenn mir tagsüber vor lauter Arbeit oft die Zeit fehlt. Die Sportler stehen mit ihren Leistungen den unbehinderten Sportlern kaum nach. Dass das Publikum so begeistert ist, hilft den Sportlern auch, Höchstleistungen zu bringen.
Was bewundern Sie an den behinderten Sportlern besonders?
Joa: Es sind die Energie und das Leistungsvermögen. Das geht weit über das hinaus, was man sich vorstellt, was Menschen mit solcher Behinderung leisten können. Erstaunlich sind auch die Hilfsmittel, die es gibt. Im normalen Alltag sind etwa die Beinamputierten dank ihrer Prothesen von Unbehinderten kaum zu unterscheiden. Da fällt es ihnen viel leichter, sich in die Umgebung einzugliedern.
Die Paralympics sollen die Behinderten in den Blickpunkt auch der Unbehinderten rücken. Gelingt das?
Joa: Die Berichterstattung ist deutlich besser geworden. Das gibt vielleicht den Behinderten Mut, in Sportvereine zu gehen. Denn die Sportvereine wollen die Behinderten ja oft aufnehmen, aber manchmal wollen die Behinderten nicht so. Daher ist es gut, wenn die Betroffenen in Unfallkliniken wie Murnau angeregt werden, Sport zu treiben und dies dann im Verein fortsetzen. Denn auch durch den Sport holen sie sich das Selbstbewusstsein und das Selbstvertrauen wieder.
Besteht nicht die Gefahr, dass sich der Fokus nur während der Paralympics auf Menschen mit Handicap richtet?
Joa: Das Interesse wird etwas zurückgehen, aber nicht komplett verschwinden. Durch die UN-Behindertenkonvention, die Deutschland ratifiziert hat, ist bei vielen die Sensibilität geweckt worden. Im Moment arbeite ich mit an einer Vorlage für den Aktionsplan der bayerischen Staatsregierung. Auch die Landkreise wollen Aktionspläne erstellen.
Welches sind die Ziele?
Joa: Es geht darum, die Teilhabe am öffentlichen Leben zu gewährleisten. Das betrifft den Bau und geht bis zum Tourismus. Auch Mobilität ist ein Thema. Im Ostallgäu gibt es zum Beispiel nur in Marktoberdorf ein rollstuhlgerechtes Taxi.
Gerade am barrierefreien Bauen gibt es oft Kritik wegen der Kosten.
Joa: Bei einem Neubau machen sie nur etwa zwei Prozent der Gesamtsumme aus, bei einem Umbau bis zu 25 Prozent, das stimmt. Aber es ist sinnvoll, barrierefreie Wohnungen zu bauen. Davon profitieren nicht nur Behinderte, sondern auch Senioren. Woran es erheblich mangelt, sind barrierefreie Wohnungen, die auch bezahlbar sein sollen.
Die Fragen stellte Andreas Filke.