"Die Zeiten, als wir Telemarker von schnittigen Racecarvern ein wenig belächelt wurden, sind vorbei", erzählt Fritz Trojer, während er die Trainingssprünge seiner Athleten an der Schanze in der Oberstdorfer Erdinger Arena filmt. Nicht nur, weil Telemarker inzwischen die alten Lederschuhe ausgezogen und gegen topmodernes Rennmaterial getauscht haben. Auch, weil die Skisportler mit dem Ausfallschritt sich durch enorme Vielseitigkeit auszeichnen. Nicht nur perfektes skifahrerisches Können gehört dazu, auch Sprungkraft, Skaten und der Mut, in einer Steilwandkurve zu fahren. Zumindest dann, wenn ein Skifahrer sich fürs Telemarken als Wettkampfsport entscheidet.
Alles begann 1888 in Norwegen
Mit dem Ausfallschritt auf Eschenholzlatten, den Schwung um einen langen Holzstecken gedreht, so hat das Skifahren im Jahr 1888 in der norwegischen Provinz Telemark (zwischen Oslo und Bergen) begonnen. Aber nicht nur für den 27-jährigen DSV-Teamchef Fritz Trojer, sondern auch für seine 14-köpfige Nationalmannschaft gilt: Telemarken ist zwar die älteste, aber gleichzeitig auch eine junge Wintersportart, die sich enorm fortentwickelt hat. "In unsere Sportart steckt mindestens so viel interessantes Potenzial wie im Skicross", meint Trojer und hofft, dass auch das Telemarken bald olympisch wird.
Am Mittwoch und Donnerstag dieser Woche haben die Telemarker Gelegenheit, ihre Sportart zu demonstrieren, denn da findet am Oberjoch erstmals nach vier Jahren wieder ein Weltcup-Rennen statt. Mit am Start sind fünf junge Oberallgäuer, die derzeit mit der Nationalmannschaft am Alpinen Trainingszentrum Allgäu (ATA) und in Oberstdorf fleißig für den großen Auftritt trainieren. Benedikt Holzmann vom SC Oberstdorf ist da mit 19 Jahren schon ein "alter Hase", wechselte er doch schon vor zwei Jahren zu den Telemarkern, nachdem ihm mehrere Verletzungen den Traum von einer Karriere als Alpin-Rennfahrer zunichtemachten.
Die Schwester geworben
In diesem Jahr konnte er seinen Clubkollegen Jonas Schmid (18) und seine Schwester Johanna (15) für die Sportart begeistern. Und auch Tobias Müller vom SC Fischen fand Gefallen am Telemarken. "Wobei der Tobi für uns ein Optimalfall ist", räumt Trainer Trojer ein. Denn der 18-jährige Obermaiselsteiner zählte zuvor nicht nur zum Top-Alpinnachwuchs in der Region, sondern auch zum ASV-Kader der Langläufer, bringt somit alle Voraussetzungen mit, die für die Weltcup-Rennen erforderlich sind. Denn da geht es nicht nur im Riesenslalom an den Start, sondern auch zum Sprung über mindestens 25 Meter, in die Skatingspur und die Steilwandkurve.
"Die meisten unserer Athleten kommen aus der Alpin-Abteilung", so Trojer, der versichert, dass aus jedem guten Skifahrer binnen zwei Jahren ein guter Telemarker werden könne. Seine Gruppe, die altersmäßig zwischen 15 und 34 Jahren bunt gemischt ist, komme auf 40 Trainingstage pro Jahr. Da das Telemarken noch Amateursport sei, könnten die Athleten nur an Wochenenden und in den Schulferien trainieren. Sowohl Training als auch die Wettkämpfe werden aus eigener Tasche bezahlt. Dennoch glaubt Trojer an eine gute Zukunft für seinen Sport: Gleichgewichtsinn, Skigefühl und jede Menge Spaß, all das lerne man bei den Telemarkern. Und "Doping und Missgunst gibt es bei uns nicht", sieht er auch einen Vorteil darin, dass es momentan außer der Ehre nichts zu verdienen gibt mit dem Ausfallschritt.