Eishockey, die schnellste Mannschaftssportart der Welt, wird immer schneller und damit gefährlicher. Die Folgen spüren die Spieler immer häufiger vor allem im Kopf. Schwere Gehirnerschütterungen sind das große Thema, mit dem die Profi-Szene nicht so recht umgehen kann. Auch Stefan Ustorf (38/Kaufbeuren) nicht. Der fünffache deutsche Meister von den Eisbären Berlin ist seit knapp acht Wochen mit einem Schädel-Hirn-Trauma außer Gefecht. Seine Karriere steht auf dem Spiel. Darüber mache er sich zwar 'keine Gedanken', dennoch gibt Ustorf, der als Kapitän der Eisbären auf dem Eis immer an vorderster Front kämpft, zu: 'Die Situation ist extrem schwer.'
Er klingt erschöpft und gestresst, als er das sagt. Bei allen möglichen Verletzungen zuvor hatte er Schmerzen ausgeblendet und gespielt, wenn sich normale Menschen krankschreiben lassen. Doch die Folgen der Gehirnerschütterung, die er beim Bandencheck von Gerrit Fauser am 6. Dezember im Spiel gegen Hannover erlitt, plagen ihn: 'Es ist die Verletzung, die ich am wenigsten kontrollieren kann.' Typische Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindelgefühle oder Übelkeit kommen und gehen. Zusätzlich: 'Ich habe erhebliche Probleme mit den Augen.'
Das Timing zwischen Augen und Gehirn funktioniere nicht richtig. 'In Situationen, wo viel um mich herum passiert, bin ich überfordert', sagt er. Autofahren oder Einkaufen im Supermarkt machen ihm schwer zu schaffen. Lärm und helle Räume muss der Ex-NHL-Spieler meiden.
'Ich darf und kann momentan nichts machen. Je mehr du tust, desto schlimmer wird es', sagt Ustorf. Das nagt an ihm. Schon bald nach dem Foul wollte er wieder bei der Mannschaft sein. 'Aber die Ärzte sagten mir, ich sollte weit weg vom Eishockey sein, um mich nicht ständig dem Druck auszusetzen, zurückkehren zu wollen – was ich offensichtlich tue.' Sie verordneten dem Eishockeyverrückten Ustorf Urlaub in den USA, wo Frau und Kinder leben. Doch die Symptome blieben.
Verletzungen immer häufiger
Aus 'versicherungstechnischen Gründen' ist er nun wieder in Berlin, wo er von Ärzten beobachtet wird. 'Aber die können mir auch nichts neues sagen', stellt er klar. Ustorf – genau wie aktuell vier seiner Teamkollegen – erfährt gerade am eigenen Leib, was seit ein paar Jahren wie eine Seuche in Eishockeykreisen grassiert. Das hat mit der verbesserten Diagnostik von Gehirnerschütterungen zu tun, aber auch mit der Evolution des Sports. Spieler werden immer größer, schwerer und auch schneller. Lange hinkte das Regelwerk der Entwicklung hinterher, Checks gegen den Kopf werden aber nun hart bestraft.
Ein Problem bleibt die selbstzerstörerische Grundhaltung einer Sportart, die harte Hunde verehrt. 'Bei jedem Spieler hat schon mal der Kopf gebrummt, er hat aber weitergespielt', gibt Ustorf zu. Aber: 'Wir müssen alle lernen, besser mit diesen Verletzungen umzugehen.' Spätestens seit dem Fall von Kanadas Olympiaheld Sidney Crosby (24), der 2011 nach zwei Gehirnerschütterungen binnen fünf Tagen elf lähmend lange Monate ausfiel, wird das Thema in der NHL täglich diskutiert. Für das Eishockey weltweit bedeutet das meist, dass sich Veränderungen anbahnen. Ustorf befürwortet das, momentan will er aber 'einfach nur gesund werden'.