Mittagspause. Ein schöner, sonniger Tag Anfang Januar. Ganz entspannt sitzt Reiner Maurer auf der Holzbank vor dem Löwenstüberl. Eine warme Windböe umschmeichelt sein Gesicht. Heute herrscht Föhn. Beinahe könnte der Unterallgäuer die heimische Alpenkette erblicken. Gedankenversunken rührt er in einer Tasse mit schwarzem Kaffee. Er dreht den Löffel – einmal, zweimal, dreimal. Langsam, immer langsamer. Dann denkt er an das vor ihm liegende Jahr Januar Gerade haben die Verantwortlichen des TSV 1860 München den Vertrag mit ihrem Trainer um sagenhafte drei Jahre verlängert. Mauerer, der ruhige, akribische Arbeiter, hatte also tatsächlich das Vertrauen bekommen. Der Verein will auf Kontinuität setzen. Für den 51-Jährigen ist das der Startschuss ins Glück. Auch das Geld sprudelt plötzlich. Der Investor aus dem fernen Land gibt weitere Millionen frei. Mauerer darf shoppen.
Unter dem Motto 'Giesing gibt Gas' kehren – für nie bestätigte Ablösesummen – zunächst die Bender-Zwillinge, später auch Leitner, aus Dortmund und Leverkusen an ihre ehemalige Wirkungsstätte zurück. Maurer lockt die drei Nationalspieler mit Stammplätzen und Aston Martin (der Hauptsponsor macht’s möglich).
Der Rückrunden-Auftakt: brillant. Drei Siege in Folge, kein Gegentor. Präsident Dieter Schneider und Geschäftsführer Robert Schäfer haben ihren zwölfmonatigen Streit mittlerweile beigelegt.
Auf einem Aufstiegsplatz
Mitte März 1860 auf einem Aufstiegsplatz. Erstmals seit gefühlten zwei Jahrzehnten. In der Folge sind alle Heimspiele bis Saisonende ausverkauft. Maurers mutige Mannen mischen das Mittelmaß auf. Ein klitze-kleines Finanzloch, das fleißige Finanzbeamte bei einer Prüfung entdecken, wird vom Investor generös gestopft. Der Jordanier begleicht die 18 Millionen in bar und genehmigt sich selbst anschließend sein erstes alkoholfreies Weißbier.
Anfang Mai Den Löwen ist der Aufstieg nicht mehr zu nehmen. Im Zuge der neuen Innigkeit sind sich der Geschäftsführer und eine der Töchter des Präsidenten angeblich nähergekommen, was natürlich heftig dementiert wird. Ferrari engagiert sich als weiterer Hauptsponsor neben Aston Martin. Abgefahren, diese Löwen. Derweil mauert Maurer in Sachen Champions League. Er sagt irgendetwas wie 'noch ein weiter Weg' oder so – will ohnehin niemand hören in München.
Sommerpause Im Trubel der Aufstiegsfeier, der Pläne über einen Stadion-Neubau neben der Allianz-Arena und des Trainingslagers in Jordanien tauchen lumpige 10 Millionen Altschulden auf, die kaum Beachtung finden und vom Investor natürlich in bar beglichen werden.
Um das Mannschaftsfoto zum Bundesliga-Auftakt abzudrucken, müssen die örtlichen Tageszeitungen zwei Seiten frei halten. Der Kader ist groß. Zudem gönnt sich der Investor neben Aston Martin, Ferrari und Maserati nun auch noch Loddar Matthäus. Maurer/Matthäus als Doppel-Spitze, die Liga zittert.
Matthäus muss gehen
Saisonauftakt Nach nur vier Punkten aus vier Spielen gegen Bayern, Dortmund, Leverkusen und Bremen ist der Frust riesengroß. Außerdem hat sich Matthäus unbeliebt gemacht. Er soll sich in die noch nicht geborene Tochter eines kroatischen Spielers verliebt haben, eine Woche später muss der Rekordnationalspieler gehen.
Reiner Maurer hat derweil von der Lufthansa feierlich die Senator-Karte überreicht bekommen. Der Trainer fliegt permanent quer durch Europa, beobachtet die möglichen Champions-League-Gegner für die übernächste Saison. Investor, Präsident und Geschäftsführer wurden derweil beim Münchner OB vorstellig, reichen die Pläne für eine eigene 'Finanz-Arena' unmittelbar neben der 'Allianz-Arena' ein. Das Stadion soll etwas größer sein, als das der Bayern, aber nicht viel.
Winterpause Die Löwen sind Fünfter, punktgleich mit den Bayern. Der Investor murrt, Präsident und Geschäftsführer sind deswegen total zerstritten, Maurers noch zwei Jahre laufender Vertrag wird vorerst nicht verlängert. Der wiederum versteht die Welt nicht mehr.
So ein tolles Ergebnis, nach einem so turbulentem Jahr – 'was wollen die hier eigentlich?', denkt er, während er im Löwen-Stüberl sitzt und Kaffee trinkt.
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'Noch einen Kaffee, Reiner ? Der ist doch jetzt kalt', fragt ihn die Wirtin. Den Allgäuer durchzuckt es. Er öffnet die Augen. Mit der rechten Hand rührt Maurer immer noch im schwarzen Kaffee. Wie lange wohl schon? Er muss eingeschlafen sein. Alles nur ein Traum. Gott sei Dank. Das Ende der Geschichte war der Realität aber ganz nahe