Sie müssen aufpassen, wo sie parken. Ihnen brennt laufend der Kittel. Einen Elfmeter in der 93. Minute sollten sie nur pfeifen, wenn sie schnell laufen können. Kurzum: Fußballschiedsrichter habens schwer. Vielleicht liegt es ja daran, dass es in allen Landesteilen an Nachwuchs mangelt und der Bayerische Fußballverband nun neue Wege geht: Die Ausbildung von Schiri-Neulingen ist seit diesem Jahr in nur drei Tagen möglich. Auf der Suche nach dem nächsten Robert Hartmann (32), der seit kurzem in der Bundesliga pfeifen darf, bot die Schiedsrichtergruppe Kempten-Oberallgäu einen solchen "Crashkurs" beim TSV Sulzberg an - und AZ-Reporter Bastian Lauer (28) nutzte die Chance. Er nahm teil (erfolgreich übrigens) und sammelte interessante Eindrücke.
Kempten/Sulzberg Seit meinem siebten Lebensjahr kicke ich im Verein. Im Männerbereich, von Kurzeinsätzen auf Bezirksebene abgesehen, neun Jahre in der Kreisklasse. Ziemlich weit unten also. Aber gerade in den Niederungen des Amateurfußballs erlebt man so viele verrückte Schiedsrichter-Entscheidungen, dass ich mir schon an vielen Wochenenden dachte: "Was der pfeift, das kannst du auch." Blinder als diese Kreisläufer kann ich ja schließlich nicht sein
Also auf nach Sulzberg zum Neulingskurs: Wir sind zehn Teilnehmer. Dass wir alle in Zukunft auch zu den Blinden zählen werden, vermittelt uns gleich zu Beginn und recht unverblümt Harald Rieger.
Der 53-Jährige vom TSV Fischen ist der stellvertretende Obmann und Spieleinteiler der Oberallgäuer Fußballer und schärft uns gleich mal ein: "Schiri werden ist nicht schwer, Schiri sein dagegen schon."
Er hat recht. Das Werden ist nicht schwer, in unserem Fall aber ziemlich anstrengend. An drei Tagen sitzen wir insgesamt 14 Stunden im TSV-Sportheim und bekommen allerlei mit auf den Weg. Lehrwart Karl-Heinz Fritz (63/TSV Buchenberg) macht uns beispielsweise klar: "Ihr seid Polizist und Richter in einem." Wow, klingt aufregend, denke ich spontan. Doch Fritz will uns eigentlich nur klarmachen, dass unsere Verantwortung groß ist - wenn wir uniformiert und mit bunten Karten bewaffnet auf dem Platz stehen. Und Disziplin braucht es. Doch einigen Teilnehmern gelingt es nicht einmal, das Handy während des Unterrichts auszuschalten.
Da fällt es natürlich schwer, sich zu konzentrieren. Dabei müssen wir jede Menge Stoff durchpauken. Der stellvertretende Obmann Rieger: "Nach zwei oder drei Stunden kannst du eigentlich nichts mehr aufnehmen." Aber wir halten durch: Von A wie Abstoß bis Z wie Zweikampf gehen wir nahezu alle Regeln durch. Die wohl wichtigste ist die Nummer zwölf. Sie heißt "Verbotenes Spiel und unsportliches Betragen" und Fritz meint: "Wer diese Regel versteht, versteht das Spiel." Alle möglichen Arten von Foulspiel und wie man sie ahndet, erfahren wir von den "Profis". Das Schulbankdrücken macht müde. Am Samstagnachmittag würde ich mir am liebsten selbst einen "Feldverweis auf Dauer" (so heißt die Rote Karte im Fachjargon) verpassen - und mich daheim ins Bett legen.
Aber immer wieder tischt uns Fritz aus seiner fast 30-jährigen Erfahrung als Unparteiischer Hallo-Wach-Geschichten auf. Er erzählt von einer Vielzahl von theoretischen und total abstrusen Situationen -und wir müssen raten, wie ein Schiedsrichter richtig entscheidet. Beispiel gefällig?
"Was passiert, wenn der Torhüter einen Eckball ausführt, den Ball aber, bevor das Leder von einem anderen Spieler berührt wurde, mit der Hand im eigenen Strafraum spielt?" Hä? Ein Torwart, der den Ball von der Eckfahne Richtung eigenes Tor drischt - und ihn dann selbst wieder aufnimmt. Wer denkt sich denn so etwas aus? Aber auch darauf gibt es eine Antwort: indirekter Freistoß an der Stelle, wo der Torhüter den Ball mit der Hand berührt hat.
Praxisnahe Beispiele
Immerhin bekommen wir auch ein paar praxisnähere Beispiele gezeigt - Spielszenen von der WM 2010. Wir beweisen eindrucksvoll, dass es bei einigen von uns am Erkennen von Spielsituationen noch gewaltig hapert. Die Rote Karte scheint aber zumindest im gemütlichen Sportheim ziemlich locker zu sitzen. Wir zücken sie in Gedanken ein ums andere Mal. Ob das bei unseren ersten Gehversuchen im D- und C-Junioren-Bereich noch genauso sein wird, wenn uns draußen die Väter der 14-Jährigen am liebsten an die Gurgel springen wollten, muss sich erst herausstellen.
Am Ende des Kurses musste jeder von uns einen offiziellen DFB-Regeltest mit 30 Fragen lösen. 25 mussten richtig beantwortet werden, sonst war das Wochenende für die Katz. Glücklicherweise fiel keiner durch - und ich war stolz, mit 30 richtigen Antworten die Beförderung zum Unparteiischen geschafft zu haben.
AZ-Reporter Bastian Lauer (Zweiter von links, SV Ergersheim/Kreis Frankenhöhe Nord) beim abschließenden "Mannschaftsfoto" mit seinen neuen Kollegen: (von links) Stellvertretender Gruppenobmann Harald Rieger (TSV Fischen), Leiter Fördergruppe Kevin Mitchell (FC Rettenberg), Eda-Dudhan Odaci (FC Kempten), Marcel Geßler (TV Waltenhofen), Ömer Cakmak (SV Heiligkreuz), Alexander Schreck (TSV Altusried), Christian Erhart (TSV Sulzberg), Hamza Akbaba (SV Heiligkreuz),