In der Fußball-Bundesliga hält sich ein hässliches Gerücht. Es soll Verteidiger geben, die seit dem Treffen mit Mario Götze (18) und seinen leichtfüßigen Dortmunder Kollegen immer noch im Stadion herumirren und den Ausgang suchen, so schwindlig wurde ihnen angesichts der Dortmunder Wirbelwinde.
Dass seit dem frostig kalten Mittwochabend auch schwedische Spieler nach dem Weg aus dem Göteborger Ullevi-Stadion suchen, ist nicht zu befürchten. Schwindlig wurde ihnen beim Gastspiel der deutschen Nationalmannschaft sicher nicht. Historisch war das Spiel aber allemal. Vor allem für den Ostallgäuer Mario Götze und seinen Heimatverein SC Ronsberg. Der hat nämlich seit Mittwochabend einen echten A-Nationalspieler. Götze spielt zwar nicht mehr beim SC, doch auf dem Platz in der Günztaler Gemeinde entdeckte er seine Leidenschaft. In Ronsberg saßen an diesem Abend auch einige ehemalige Weggefährten von Mario Götze auf dem Sofa seines ehemaligen Jugendtrainers Hans Albat und fieberten eifrig mit. Als die Digitaluhr des Schiedsrichters 77:20 zeigt, macht sich auf dem Sofa in Ronsberg neben Bewegung auch viel Stolz breit - Mario Götze betritt das Feld. Er nahm es nicht im Sturm, aber er deutete mehrfach an, warum ihn Matthias Sammer als "größtes deutsches Talent aller Zeiten" bezeichnet. Götze macht einfach kaum Fehler. Er ist technisch brillant, hat Übersicht, unglaubliche Ruhe am Ball und schon einen ganz speziellen, eigenen Stil. Dass Götze an diesem historischen Abend aufgeregt war, bemerkte man kaum. "Ich hatte vor dem Spiel ganz schön Herzrasen", sagte Götze nachher im Interview mit Claus Lufen von der ARD. Die hatte damit übrigens auch Historisches vollbracht: Götze gab dem Sender sein erstes TV-Interview. "Das Spiel war eine ganz wichtige Erfahrung und ich bin zufrieden", meinte Götze.
Zufrieden war auch Bundestrainer Joachim Löw. Über seinen Neuling Nummer 44, den sogar der üblicherweise recht zurückhaltende kicker als "Ausnahmetalent" feiert, sagt Löw: "Er ist der Mann der Zukunft."
Nach der Partie zeigte sich Götze genau so, wie er auf dem Platz auftritt: Ruhig, abgeklärt und souverän. Und höflich noch dazu: Mit einem mehrfachen Danke verabschiedete er sich von Lufen. Auch auf dessen alberne Frage, ob sich der Debütant das Trikot einrahmen lasse und übers Bett hänge, antwortete Götze lächelnd: "Vielleicht."
Im Februar gegen Italien
Während an diesem Abend in den Wohnzimmern Ronsbergs und Günzachs der Stolz wohl größer war als Gerd Müllers Torquote, hatte Mario Götze im fernen Schweden noch eine pikante Aufgabe vor sich. Vor der Mannschaft musste der Debütant bei der "Medaillenübergabe" (Joachim Löw etwas geheimnisvoll) eine kurze Rede halten. Davon ist zwar nichts überliefert, dass sich die Spieler der Nationalmannschaft aber gleich mal an Götzes Anwesenheit gewöhnen können, dürfte seit diesem kalten Abend in Göteborg klar sein. Im Februar nächsten Jahres geht es in Dortmund gegen Italien. Die Verteidiger vom Stiefel sollten sich - falls Götze dabei ist - vorher sicherheitshalber schon mal den Weg zum Ausgang beschreiben lassen. Und nicht nur die Fußballbegeisterten im Günztal dürfen sich für diesen Abend nichts vornehmen.
Auf Albats Sofa in Ronsberg ist man mit Götze jedenfalls zufrieden. Die Runde ist überzeugt: "Der darf gerne wiederkommen." (mit wa)