'Bevor ich einen Freund verliere, würde ich jeden meiner Pokale zurückgeben', sagt Marc Girardelli und ist ernst wie selten an diesem Abend. Die während seiner aktiven Zeit mit den Konkurrenten aus aller Welt entstandenen Freundschaften sind dem 48-jährigen Ex-Skirennfahrer das Wertvollste. Aber der in Lustenau (Vorarlberg) geborene und aufgewachsene Wahl-Schweizer mit Luxemburger Pass, italienischen Vorfahren und deutscher Ehefrau überrascht als Gast des Lions-Club Oberstaufen-Westallgäu bei dessen Treffen in Weiler noch mit weiteren Einblicken in seine Karriere und die Zeit danach.
Als 'der für Luxemburg startende Österreicher' ist Girardelli einer ganzen Generation bekannt. Zwischen 1980 und 1996 siegte er bei 46 Weltcup-Rennen, sammelte Weltmeister-Titel und gewann fünfmal den Gesamt-Weltcup. Eine seiner Besonderheiten: Er gewann in allen alpinen Disziplinen Rennen. Eine weitere: Er erreichte dies ohne die Unterstützung eines großen Ski-Verbandes. Der Vater habe ihn trainiert und früh entschieden, dass er für Luxemburg starten sollte, blickt er vor den Mitgliedern des Lions-Clubs zurück. Was folgte, war prägend: Er trainierte allein, hatte gemeinsam mit dem Vater alles zu organisieren und vor allem auch zu finanzieren. Rund 300 000 Euro kostete die Teilnahme am Weltcup-Zirkus allein an Spesen.
Dass Girardelli schon als 17-jähriger Alleinverdiener in der Familie war, lag an den Sponsoren – doch auch sie galt es ohne externe Unterstützung zu gewinnen. 'Heute würde ich manches anders machen', stellt er fest. 'Ich würde gemeinsam mit Marketingspezialisten ein ganzes Paket für eine Branche schnüren.' Dann, so meint er, hätte er wohl das Drei- bis Vierfache verdienen können.
Sich allein behaupten zu müssen, das hat ihn geprägt. Bis heute. Als Unternehmer ist Girardelli tätig. Mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg. 'Bei der Skihalle in Bottrop konnte ich im letzten Moment verkaufen, das war ein Fass ohne Boden.' Aber er habe daraus gelernt.
Ausführlich blickt der 48-jährige auf jenen Unfall im kanadischen Lake Louise zurück, der schon 1983 das Karriere-Ende zu bedeuten schien. Ein Arzt habe die Knie-Verletzung als so schwerwiegend eingestuft, dass er sein Leben lang kaum mehr Treppen gehen könne. Was folgte, war hartes Training und die Feststellung, 'dass man gegen die Besten nur gewinnen kann, wenn man ans Limit geht oder darüber hinaus'. 18 Operationen hat er insgesamt hinter sich, aber: 'Wenn man der Beste sein will, muss man Probleme bekämpfen, die nicht normal sind.' Das gelte heute auch für sein Berufsleben nach dem Karriere-Ende.
Girardelli organisiert inzwischen Firmenveranstaltungen an verschiedenen Wintersportorten, hat eine eigene Sportbekleidungs-Kollektion auf dem Markt und unterstützt in Bulgarien die Ski-Nationalmannschaft und ein ganzes Ski-Gebiet bei seiner Vermarktung.
Und noch eine Erfahrung aus der Zeit als Skirennläufer lässt sich übertragen auf das heutige Berufsleben, stellt Girardelli fest: 'Wenn du erfolgreich sein willst, dann leidet das Privatleben.'