Man kann mit einem künstlichen Hüftgelenk sogar Ski fahren, sagt Dr. Johannes Fuchs. Der Orthopäde erklärt, welche weiteren Sportarten geeignet sind und welche man meiden soll.
Nicht nur Spitzenathleten trifft es. Auch bei Hobbysportlern reißen Bänder, Sehnen und Muskeln. In der Serie 'Sprechstunde' geben Allgäuer Sportärzte und Orthopäden Tipps, wie operiert oder konservativ behandelt wird. Wir fragten Dr. Johannes Fuchs, Orthopäde in Oberstdorf, wann ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt werden muss, welche Sportarten man weiter ausüben kann und welche man meiden sollte.
Wann muss ein künstliches Hüftgelenk implantiert werden?
Fuchs: Bei starken Schmerzen und zunehmender Bewegungseinschränkung des betroffenen Gelenkes. Wenn trotz intensiver konservativer Therapie mit Krankengymnastik, manueller Therapie und Schmerzmitteln keine ausreichende Lebensqualität mehr erreicht werden kann, wird ein künstliches Hüftgelenk empfohlen.
Wie funktioniert eine sogenannte Hüft-Endoprothese?
Fuchs: Die Hüftendoprothese besteht aus einem Pfannenanteil im Bereich des Beckens und einem Schaftanteil, der in den Oberschenkelknochen eingesetzt wird. Durch eine raue Oberfläche der Titanimplantate kann ein festes Einwachsen in den Knochen erreicht werden. Auf den Schaftanteil wird eine Keramikkugel aufgebracht, welche in der Pfanne abriebfest gleitet. Dabei können die Muskelspannung und die Beinlänge angepasst werden.
Welche Modelle gibt es?
Fuchs: In der modernen Hüftendoprothetik stehen geeignete Implantate für die unterschiedlichen, individuellen Ausgangssituationen zur Verfügung. Die Auswahl wird je nach Knochenqualität und Alter des Patienten vom Operateur getroffen. In der Regel ist eine zementfreie Implantation möglich. In zunehmendem Maße kommen neben den Standard-Implantaten sogenannte Kurzschaftmodelle zum Einsatz, um noch 'knochensparender' operieren zu können.
In Deutschland werden jährlich knapp 200.000 künstliche Hüftgelenke implantiert. Wie läuft eine Operation ab?
Fuchs: Über einen Hautschnitt an der Außenseite des Hüftgelenkes wird die Muskulatur sehr schonend präpariert. Nach formgenauer Auffräsung wird die passgenaue Implantation der Pfanne und des Schaftes vorgenommen. Anschließend wird der Hüftkopf nach genauer Bestimmung der Beinlänge aufgebracht.
Welche Komplikationen können auftreten?
Fuchs: Wie bei jedem operativen Eingriff kann es nach der OP zu Schwellungen und zu Blutergüssen kommen. Diese können mit manueller Therapie und Lymphdrainage behandelt werden. Um die sehr seltene Komplikation einer Infektion zu reduzieren, wird vor der Operation ein Antibiotikum verabreicht.
Wie sieht die Nachbehandlung aus?
Fuchs: Bereits am Folgetag nach der Operation wird der Patient unter physiotherapeutischer Anleitung mobilisiert. Eine schmerzangepasste Vollbelastung ist erlaubt. Während des stationären Aufenthaltes von zehn bis zwölf Tagen wird das tägliche Trainingsprogramm erweitert, um den Patienten nach sicherer Wundheilung in die Rehabilitation entlassen zu können.
Wie wichtig sind Gymnastik und Kraftübungen nach der Operation?
Fuchs: Eine gute Beinmuskulatur ist für eine gute Funktion des Hüftgelenkes nach der Operation von entscheidender Bedeutung. Gut trainierte Muskeln stabilisieren das Gelenk und harmonisieren die Bewegungsabläufe. Belastungsspitzen und somit die Beanspruchung des Kunstgelenkes werden dadurch reduziert.
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Operation dem Patienten eine deutliche Verbesserung bringt?
Fuchs: Gelenkersatzoperationen, vor allem am Hüftgelenk, gehören zu den erfolgreichsten Operationen in der Medizin überhaupt. Mit einer sehr großen Wahrscheinlichkeit werden die Mobilität sowie die Lebensqualität verbessert und die Schmerzen reduziert oder gar beseitigt. Sportaktivitäten in dosierter Form sind wieder möglich.
Welche gelenkschonenden Sportarten kommen nach der Operation in Frage? Welche sollten unbedingt vermieden werden?
Fuchs: Voraussetzung für eine sportliche Aktivität nach einem künstlichen Hüftgelenk ist neben einem schmerzfreien Gelenk eine individuelle Beratung durch den Arzt. Die sportliche Aktivität sollte frühestens sechs Monate nach der Hüftgelenksoperation intensiviert werden. Am besten eignen sich Sportarten, welche schon vor der Operation ausgeübt worden sind. Neue, ungewohnte Sportarten und ungewohnte Bewegungsabläufe sind nicht zu empfehlen. Zu beachten ist, dass eine vermeintlich geeignete Sportart bei übermäßiger Belastung auch schädlich sein kann. Besonders geeignete Sportarten sind Wandern, Nordic Walking, Schwimmen, Radfahren, Golf, Aqua-Jogging, Gymnastik und Muskeltraining. Bedingt geeignet sind Skilanglauf und Tennis. Ungeeignet sind Eislaufen, Ballsportarten, Kraftsport und Inline-Skating.
Kann ich mit einem künstlichen Hüftgelenk Ski fahren und bergwandern?
Fuchs: Ja, es gibt sehr viele Patienten, die nach einer Hüftgelenksoperation wieder Ski fahren und wandern.
Muss ein künstliches Hüftgelenk vor Kälte geschützt werden?
Fuchs: Ein künstliches Hüftgelenk ist kälteunempfindlich. Natürlich werden normale Aufwärm- und Dehnungsübungen vor einer sportlichen Aktivität wie Skilanglauf oder Ski alpin empfohlen.
Wann besteht die Gefahr der Lockerung des künstlichen Hüftgelenkes?
Fuchs: Wie überall hängt auch der Verschleiß eines Kunstgelenkes von der Beanspruchung ab. Extreme Belastungsspitzen sollten vermieden werden. Von Leistungs- und Hochleistungsansprüchen mit einem Kunstgelenk ist abzuraten. Ein Kompromiss zwischen gelenkstabilisierenden Bewegungsreizen und möglicher Überbeanspruchung muss individuell gefunden werden. Eine dosierte sportliche Aktivität ist aus ärztlicher Sicht zu empfehlen. Neben der Verbesserung der Ausdauerleistung kommt es zu einer positiven Beeinflussung von altersbedingten Begleiterkrankungen wie Herz-Kreislauf-Problemen oder Osteoporose.
In sehr vielen Sportarten werden durch professionelle Übungsleiter und -zentren spezielle Angeboten für Endoprothesenpatienten gemacht. So gibt es spezielle Golfkurse, Kurse für Ski alpin und Langlauf. Auch spezielle Bergwanderungen ohne gelenkbelastende Abstiege werden angeboten. In Kooperation mit dem MVZ Oberstdorf hat die Bergschule Oase in Oberstdorf auch eine mehrtägige Alpenüberquerung für ambitionierte Bergwanderer, die ein Kunstgelenk haben, im Programm. Hier werden gelenkbeanspruchende Talabstiege mit den Seilbahnen überbrückt.
Wie lange hält ein künstliches Hüftgelenk?
Fuchs: Durch eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Implantate sowie deutlichen Fortschritten in der Operations-Technik beträgt die durchschnittliche Haltbarkeit für Endoprothesen mehr als 15 Jahre bei über 90 Prozent der Patienten.