Der Facharzt gibt Tipps und erklärt, warum Schwimmen oder Radfahren bei einer Verletzung sogar sinnvoll sein können.
Nicht nur Spitzenathleten trifft es. Auch bei Hobbysportlern reißen Bänder, Sehnen und Muskeln. In der Serie 'Sprechstunde' geben Allgäuer Sportärzte und Orthopäden Tipps, wie operiert oder konservativ behandelt wird. Wir fragten Martin Beuckmann, Facharzt in Immenstadt, wann es zu einem Ermüdungsbruch kommt und welche Therapien infrage kommen.
An welchen Stellen des Körpers treten Ermüdungsbrüche am häufigsten auf?
Beuckmann: Am Schienbein- und Wadenbeinknochen sowie an den Mittelfußknochen.
Wann kommt es zu einem Ermüdungsbruch?
Beuckmann: Ein Ermüdungsbruch entsteht durch eine anhaltende Überlastung oder durch wiederholte Überlastungen, welche die normale Stabilität und Biegebelastbarkeit des Knochens überschreiten. Dabei muss unterschieden werden, ob ein gesunder oder ein kranker Knochen überlastet wird. Bei einem Ermüdungsbruch eines gesunden Knochens spricht man in der Regel von einer Stressfraktur, bei einem Ermüdungsbruch eines kranken Knochens von einer sogenannten Insuffizienzfraktur. Diese kann zum Beispiel bei einem Menschen auftreten, der an Osteoporose leidet.
Welche Anzeichen weisen auf einen Ermüdungsbruch hin?
Beuckmann: Die Patienten geben häufig einen belastungsabhängigen Schmerz an, der sich langsam aufgebaut hat. Häufig findet sich im geschädigten Bereich auch eine Schwellung und Rötung. Die Betroffenen verneinen ein Unfallereignis und beklagen selten einen vollständigen Funktionsverlust der betroffenen Körperregion.
Warum sind Ermüdungsbrüche auf dem Röntgenbild selten sichtbar?
Beuckmann: Weil der Ermüdungsbruch nicht immer zu einer Bruchlinie führt. In der Kernspintomographie dagegen kann der ermüdete Knochen auch ohne Bruchlinie in Form einer veränderten Struktur, zum Beispiel durch Flüssigkeitseinlagerungen, erkannt werden. Im Röntgenbild hingegen sieht man manchmal erst Tage bzw. Wochen später eine Knochenneubildung. Manchmal fehlt diese auch nach Wochen im Röntgenbild gänzlich.
Wie wird ein Ermüdungsbruch behandelt?
Beuckmann: Die wichtigste Therapie besteht in der Entlastung der betroffenen Körperregion. Bei einem Läufer mit einer Stressfraktur im Fußbereich oder Unterschenkel bedeutet dies zum Beispiel eine Laufpause. Möglicherweise ist zusätzlich ein vorübergehender Gipsverband und Entlastung an Unterarmgehstützen notwendig. Oft reichen im Fußbereich neben der Sportpause spezielle Einlegesohlen, die zu einer Entlastung führen. Bei den Ermüdungsbrüchen von vorerkrankten Knochen ist neben der Entlastung und Pause auch die Behandlung der Grunderkrankung notwendig – bei einem Betroffenen mit Osteoporose also die Behandlung der Osteoporose mit Vitamin D, mit Medikamenten, die den weiteren Knochenabbau hemmen. Physiotherapeutische Maßnahmen können die Behandlung unterstützen.
Kann trotz eines Ermüdungsbruchs trainiert werden?
Beuckmann: Ja, bei Läufern können zum Beispiel andere Bewegungsarten wie Schwimmen, Aquajogging oder auch Radfahren im Falle einer Ermüdungsfraktur durchaus nützlich, heilungsfördernd und trainingsmethodisch sogar effektiv sein.
Warum sind mehr Frauen oder mehr Männer betroffen?
Beuckmann: Die Ursache ist hormonell bedingt. Auch ist der Knochenbau der Frau leichter.
Wann kann der Körper nach einem verheilten Ermüdungsbruch wieder voll belastet werden?
Beuckmann: In der Regel dauert die Behandlung eines Ermüdungsbruches vier bis acht Wochen. Dies ist jedoch abhängig von der verletzten Körperregion und davon, wie schnell der Ermüdungsbruch erkannt und behandelt wird. Gelegentlich kann die volle Belastbarkeit erst nach sechs Monaten wieder erreicht werden.
Wann ist eine Operation unausweichlich?
Beuckmann: Eine Operation ist selten notwendig. Sollte jedoch der Ermüdungsbruch nicht rechtzeitig erkannt werden, da zum Beispiel der Betroffene seine Symptome bzw. Beschwerden fehldeutet und weiter belastet, kann auch einmal eine operative Therapie notwendig werden.
Was passiert bei einer Operation?
Beuckmann: Es wird zum Beispiel ein gesunder Knochen aus dem Beckenkamm entnommen und an den Bereich des Bruches angelagert. Häufig ist eine zusätzliche Stabilisierung durch Schrauben, Platten oder einen Nagel notwendig.
Wie kann ein Ermüdungsbruch verhindert werden?
Beuckmann: Durch das Vermeiden von einseitigen ungewohnten Belastungen. Sportliche Anfänger sollten auf einen langsamen Belastungsaufbau und auf ausreichende Regeneration achten. Treten ungewohnte Schmerzen und Schwellungen auf, sollten diese medizinisch abgeklärt und eine Pause eingelegt werden.
Vor allem sind ja Ausdauerläufer betroffen, die bei einem Ermüdungsbruch über Schmerzen im Unterschenkel oder Fußskelett klagen. Kann man denn mit stoßdämpfenden Laufschuhen oder speziellen Einlagen vorbeugen?
Beuckmann: Die Wahl geeigneter Laufschuhe durch Laufbandanalysen und auch spezielle Einlagen können vorbeugend wirken. Alte, abgenutzte Laufschuhe sollten durch neue ersetzt werden.
Kann es zu einem erneuten Bruch an der gleichen Stelle kommen?
Beuckmann: Ja, insbesondere dann, wenn der Bruch noch nicht vollständig ausgeheilt ist und wieder verstärkt erhöhte Biegekräfte auf die ehemals verletzte Knochenstruktur einwirken.