Natascha Kampusch war gerade einmal zehn Jahre als, als sie entführt wurde. Der Täter verschleppte sie auf dem Schulweg und sperrte sie in ein selbsgebautes Verlies. "Es war wie ein Atombunker", erinnert sich die heute 35-Jährige. Im Interview mit Youtuber Leeroy Matala sprach Kampusch jetzt ausführlich über die Zeit in dem winzigen Raum. Inzwischen gehört ihr das Haus, in dem sie acht Jahre lang ein Martyrium über sich ergehen lassen musste.
Täter rationierte Essen
Während ihrer Gefangenschaft rationierte ihr Entführer auch ihre Essensportionen. "Er wollte, dass ich dünn und schlank bleibe", so Kampusch. Außerdem war der Täter der Auffassung, wer weniger wiegt, lebt länger. Mit 16 Jahren wog Kampusch dann nur noch zwischen 34 und 36 Kilo. Das hatte auch Folgen für den pubertierenden Körper. Alles, was sich entwickelt hatte an Weiblichkeit, sei zurückgegangen.
Sexuelle und körperliche Gewalt
In dem Interview berichtete Kampusch auch über körperliche Gewalt. Sie wurde gegen die Wand geworfen und mit Fäusten geschlagen. Erstmals sprach Kampusch auch über sexuellen Missbrauch. Bisher hatte das ehemaliige Entführungsopfer beharrlich zu dem Thema geschwiegen. Was genau mit ihr geschah, war ihr durchaus klar. Schon vorher habe sie viel über das Thema Sexualität gewusst. In der Schule wurde sie darauf vorbereitet. Ihr war auch klar, dass sie durch die Vergewaltiung hätte schwanger werden können. "Zum Glück" sei das nicht passiert, so Kampusch. "Das wäre schrecklich gewesen".
Die Motive des Entführers
In den Jahren der Gefangenschaft beschäftigte sich Kampusch mit Basteln und Lesen. Zu ihrem Glück hatte ihr Entführer viel Lesestoff in seinem Haus. Auf die Frage, was der Entführer von ihr gewollt habe, antwortete Kampusch, das er das wohl nur selbst wisse. Sie vermutete, dass er herausfinden wollte, wer er sei. Anstatt bei sich selbst anzufangen, hätte er jedoch eine "Eselsbrücke" gesucht, indem er sich das Leben eines anderen aneignete. Er wollte Kontrolle über einen Menschen ausüben, gegenüber seiner Gefangenen bezeichete sich der Entführer auch als "Gott". Sie sollte ihn unter anderem mit "Gebieter" ansprechen.
Psychischer Druck verhinderte Flucht
Erst nach Jahren der Gefangenschaft durfte Kampusch das Haus verlassen. Sie erinnert sich daran, wie sie zum ersten Mal seit langem wieder den Sternenhimmel sah. Der Moment sei "unbeschreiblich", aber auch nach ein paar Minuten schon wieder vorbei gewesen, dann musste sie wieder in Haus. Für eine Flucht fehlte ihr die Kraft. Auch sei sie durch die psychische Gewalt, die ihr Entführer auf sie ausübte, viel zu verängstigt gewesen. Der Entführer drohte unter anderem jedem etwas anzutun, den sie um Hilfe bat oder ansprechen würde.
Selbst als sie mal in einen Baumarkt mitdurfte, erinnert sich Kampusch, war sie so eingeschüchtert, dass sie mit niemandem sprach. Dass sie in den Jahren ihrer Gefangenschaft nie versucht hatte zu fliehen, stößt bei vielen auf Unverständnis. Viele waren gar der Auffassung, dass Kampusch es bei dem Entführer gefallen hätte.
Die Flucht
Vor 15 Jahren gelang ihr dann doch die Flucht. Als sie das Auto ihres Peinigers reinigen sollte, ließ der Täter aus Unachtsamkeit die Haustür zum Garten offen. Eine Gelegenheit, die die damals 18-Jährige gleich ergriff. Zuerst kam sie an ein Wohnhaus, die Bewohnerin schickte das völlig abgemagerte Mädchen jedoch weg, weil sie sie für eine Drogenabhängige hielt. Kampusch zeigte die Frau später wegen unterlassener Hilfeleistung an, die sie dann allerdings später wieder zurückzog. Auf ihrer Flucht sprach die damals 18-Jährige noch drei weitere Menschen an, doch keiner wollte helfen. Schließlich kletterte Kampusch über einen Gartenzaun und bat eine Frau durch ein geöffnetes Küchenfenster die Polizei zu rufen. Das tat die Frau glücklicherweise dann auch. Der Entführer nahm sich kurz nach ihrer Flucht das Leben, indem er sich vor einen Zug warf.