"Noch nie so schlecht behandelt worden": Nach Rettung aus Bergnot: Urlauber pöbeln Bergwachtler an

1. Juni 2023 08:58 Uhr von Redaktion all-in.de
16 Bergretter und zwei Hubschrauber waren im Einsatz, um zwei Urlauber in Bergnot zu retten. Die pöbelten anschließend herum.
Bayerisches Rotes Kreuz, KV Berchtesgadener Land

Sieben Stunden lang waren Bergwachtler aus Ramsau und zwei Hubschrauber im Einsatz, um ein Urlauber-Paar aus Bergnot zu retten. Die beiden "bedankten" sich auf ihre Art: Sie pöbelten herum, dass sie noch nie so schlecht behandelt worden seien.

Unglaublicher Vorfall am Pfingstsonntag in den Berchtesgadener Alpen: Dort musste ein Urlauber-Pärchen aus Bergnot gerettet werden - und "bedankte" sich später, indem es die Rettungsmannschaften anmotzte.

Es war kurz nach 14 Uhr, als der 37-jährige Mann und seine 29-jährige Begleiterin, beide aus Nordrhein-Westfalen, einen Notruf absetzten. Sie hatten sich bei der noch sehr winterlichen Watzmann-Überschreitung zwischen Mittel- und Südspitze verstiegen und waren in Bergnot geraten.

Zwei Hubschrauberbesatzungen rückten an, um im Shuttle-Verkehr mehrere Einsatzkräfte mit umfangreicher Ausrüstung bis zum Watzmannhaus zu fliegen. Die Retter stiegen dann weiter zu Fuß übers Hocheck und den Grat zu den Urlaubern auf. Die beiden waren laut Bergwacht Ramsau unverletzt, hatten aber nur dünne Schlafsäcke von der Übernachtung am Watzmannhaus dabei und versuchten, sich bei knapp unter fünf Grad so gut wie möglich warm zu halten. Da sie zu erschöpft waren, konnten sie den Rettern auch nicht entgegen gehen.

Die Bergwachtler planten wegen des dichten Nebels einen langen und komplexen Einsatz bis weit in die Nacht hinein. Ihr Ziel: Das Duo zumindest bis zum Sonnenuntergang in die Schutzhütte am Hocheck zu bringen. Fünf Bergretter stiegen also mit Sicherungsmaterial, Ausrüstung zum Wärme-Erhalt und Energieriegeln zum Hocheck auf und dann in den Grat ein. Vier weitere Einsatzkräfte warteten am Hocheck mit zusätzlichen Seilen; zwei weitere Retter rückten vom Haus aus nach.

Urlauber pöbeln nach Rettung Bergwachtler an 

Der Einsatzleiter ließ am Wimbachschloss zur besseren Kommunikation im Funkschatten der Westwand ein Gateway aufbauen und den Kerosin-Anhänger aus Berchtesgaden zum Nachtanken der Helis holen. Auch der Ruhpoldinger Bergwacht-Notarzt kam in die Ramsau, damit bei einem Notfall während der riskanten Rettungsaktion medizinische Hilfe verfügbar wäre. Die Retter konnten zunächst weder Rufkontakt von der Mittelspitze aus herstellen noch die Einsatzstelle aus der Luft finden, da der Grat wolkenumhüllt blieb.

Die Besatzung eines Polizeihubschraubers blieb in der Luft und kreiste konsequent über dem Wimbachgries, um bei einer Wolkenlücke die Einsatzstelle sofort anfliegen zu können. Kurz nach 17.30 Uhr rissen die Wolken dann tatsächlich so weit auf, dass die Heli-Crew die Verstiegenen in rund 2.600 Metern Höhe sehen konnte. Zwei Bergretter arbeiteten sich so schnell wie möglich über den rutschigen Altschnee vor.

Hier mussten die verstiegenen Urlauber aus Bergnot gerettet werden.
Hier mussten die verstiegenen Urlauber aus Bergnot gerettet werden.
Bergwacht Berchtesgadener Land

Da die Zeit drängte, mussten die Retter die Verstiegenen nach eigenen Angaben "sehr direkt auffordern", nicht mehr zeitaufwendig ihre Biwak-Ausrüstung einzupacken, damit der Heli die kurze Wolkenlücke nutzen und sie sofort abholen konnte. Gegen 17.55 Uhr schaffte es die Hubschauberbesatzung dann tatsächlich, Urlauber und Bergretter per Winde abzuholen und ins Tal an die Wache zu bringen.

Aus Bergnot Gerettete "wohlauf aber missmutig"

Dort seien die Urlauber wenig später wohlbehalten angekommen - und äußerten laut Bergwacht "missmutig, dass sie als Patienten noch nie so schlecht behandelt worden seien." Daraufhin sei das Paar dann auch sofort verschwunden.

„Wir müssen in derart hoch dynamischen Einsatzlagen oft sehr schnell Entscheidungen treffen und auch mal recht direkt mit Betroffenen sprechen, die nicht immer sofort die Brisanz der Lage und das hohe Risiko für alle Beteiligten realistisch einschätzen können", erklärte Bergwacht-Sprecher Michael Renner in einer Mitteilung. "Ein zurückgelassener Schlafsack steht in keinem Verhältnis zu Leben und Gesundheit von Menschen.“ Er zeigte deshalb auch kein Verständnis für das Verhalten der Geretteten: „Wir sind zunehmend verwundert über die gefährliche Erwartungshaltung, die sich scheinbar mehr und mehr zu etablieren scheint, dass die Rettung im Hochgebirge bei Wind und Wetter sowohl eine garantierte als auch eine unkritische Sache wäre." 

Insgesamt dauerte der Einsatz der Bergwacht Ramsau sieben Stunden. Beteiligt waren 16 Bergretter und zwei Hubschrauber.

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