Gibt es den Sexualstraftäter oder lassen sich verschiedene Typen von Sexualstraftätern unterscheiden? Die Kriminologische Forschungsgruppe der Bayerischen Polizei (KFG) hat spezifische Merkmale unter die wissenschaftliche Lupe genommen. Zwischen Personen, die Sexualstraftaten begehen, gibt es deutliche Unterschiede. Die Ergebnisse sollen insbesondere bei Sexualstraftaten mit einem zunächst unbekannten Täter die polizeilichen Ermittlungen unterstützen und Hinweise zur Überführung der Täter anhand polizeilicher Erkenntnisse liefern.
Wichtige Ansatzpunkte für die Täterermittlung
Wie kaum ein anderer Deliktsbereich haben Sexualstraftaten sowohl gesellschaftlich, polizeilich als auch kriminalpolitisch in den letzten Jahren große Aufmerksamkeit erfahren – bis hin zur mehrfachen Änderung des Strafgesetzbuches (StGB). Opfer haben lange mit physischen und psychischen Folgen zu kämpfen, auch die Furcht vor einer solchen Tat hat Auswirkungen auf die Lebensqualität. Die Relevanz der Verhinderung von Sexualstraftaten und deren zügiger Aufklärung steht daher außer Frage. Besonders außerhalb des sozialen Nahbereichs, wenn dem Opfer die Identität des Täters nicht bekannt ist, können sich die Ermittlungen jedoch als schwierig erweisen. Genau an diesem Punkt setzt die Studie, die von der Soziologin Claudia Röhm durchgeführt wurde, an und entwickelt Tätertypen, die als ein Baustein zur Aufklärung eines Falles dienen können.
Datenbasis von 3.535 Personen
Die Datenbasis bilden 3.535 Personen ab 14 Jahren, die in der polizeilichen Datenbank mit mindestens einer Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung (13. Abschnitt des StGB) registriert wurden. Anhand der untersuchten polizeilichen Daten kann zwischen sechs Typen von Sexualstraftätern differenziert und ein weiterer Tätertyp gebildet werden.
Tätertypen
- gewalttätige Sexualverbrecher mit Vorerkenntnissen und Gewaltbezug (19,1 %),
- unauffällige Missbrauchstäter (18,9 %),
- unauffällige gewalttätige Sexualverbrecher (15,6 %),
- unauffällige Täter im Bereich Ausnutzen sexueller Neigung (14,3 %),
- Missbrauchstäter mit Vorerkenntnissen und Gewaltbezug (13,0 %),
- Täter im Bereich Ausnutzen sexueller Neigung mit Vorerkenntnissen (8,5 %) und
- deliktunspezifische Mehrfachtäter mit Vorerkenntnissen und Gewaltbezug (10,6 %).
Die Tätertypen unterscheiden sich vor allem dahingehend, in welchem Bereich der Sexualdelikte sie (im Schwerpunkt) Taten begehen, ob sie bereits vor der ersten Sexualstraftat mit anderen Delikten polizeilich in Erscheinung treten und ob sie auch mit Körperverletzungsdelikten auffallen. Auch in Bezug auf die Anzahl aller gespeicherten Delikte und die Anzahl der zugehörigen Deliktsbereiche lassen sich deutliche Unterschiede erkennen.
Gewalttäter sind nicht zwangsläufig Sexualstraftäter
Im Zusammenhang mit der Erkenntnis, dass viele Sexualstraftäter auch mit Körperverletzungsdelikten polizeilich auffallen, stellt die Wissenschaftlerin einen möglichen Ansatzpunkt für die polizeiliche Kriminalprävention heraus. Gewaltprävention kann einen Beitrag zur Verhinderung der Entwicklung krimineller Karrieren dahingehend leisten, dass Straftäter weniger Taten begehen, die Dauer der kriminellen Karriere verkürzt wird oder im Laufe dieser keine schwereren Straftaten – wie z.B. Sexualdelikte – durch sie verübt werden. Die Forscherin betont aber auch, dass man sich vor dem unzulässigen Umkehrschluss, Gewalttäter seien potentielle Sexualstraftäter, hüten solle.Der vollständige Projektbericht steht zum Download zur Verfügung.