Am Tag nach der Tragödie ist es auf der Water Street im historischen Stadtzentrum von Liverpool weitgehend still. Wo am Vorabend noch Tausende jubelten, sind nun nur einige Polizisten und Passanten zu sehen. Ein großes, aufblasbares Sichtschutz-Zelt steht noch immer mitten auf der Fahrbahn. Blau-weißes Band sperrt den Bereich weiträumig ab. Fan-Flaggen und verstreute Gegenstände liegen auf dem Asphalt. Beamte schützen weiter den Tatort, während Ermittler mit der Spurensicherung beschäftigt sind.
Amokfahrt in Liverpool: Auch Kinder sind unter den Opfern
Was als ausgelassene Feier begann, endete am Montagabend in einer Katastrophe. Zehntausende Fans, darunter viele Familien, hatten sich versammelt, um den Premier-League-Titel des FC Liverpool zu feiern – den ersten seit fünf Jahren. Die Mannschaft fuhr in einem offenen Doppeldeckerbus durch die zentralen Straßen der Stadt, begleitet von Jubel und Gesängen. Wenige Minuten, nachdem dieser die Water Street passiert hatte, kam es zu dem Vorfall: Ein grauer Van raste ungebremst in die dicht gedrängte Menschenmenge am Straßenrand. Fast 50 Personen wurden dabei verletzt, darunter auch Kinder. Immerhin: Am Dienstagnachmittag kommt die Nachricht, dass keiner der Verletzten mehr in Lebensgefahrt schwebt. Nicht mehr.
Einige Fans versuchten, das Auto zu stoppen – es waren grauenhafte Szenen
Zahlreiche Augenzeugen berichten von schockierenden Szenen, die sich innerhalb von wenigen Sekunden abspielten. Harry Rashid war mit seiner Frau und seinen zwei Töchtern zur Meisterparade gekommen, als sich die Tragödie direkt vor ihren Augen ereignete. Einige Fans versuchten, das Auto zu stoppen, nachdem es kurz zum Stehen gekommen war, berichtet er. Doch dann gab der Fahrer erneut Gas und überfuhr weitere Menschen. „Es war einfach nur grauenhaft.“ Nur wenige Minuten später trafen die ersten Rettungskräfte ein. Sanitäter versorgten Verletzte in einem nahegelegenen Restaurant, das kurzfristig in eine provisorische Notfallstation umgewandelt wurde.
Die Polizei reagierte rasch und veröffentlichte noch am selben Abend Details zum Tathergang. Ein 53-jähriger weißer Brite wurde noch am Tatort als mutmaßlicher Täter festgenommen, hieß es. Laut der Polizei deute derzeit nichts auf einen terroristischen Hintergrund hin – man gehe von einem isolierten Vorfall aus. Diese transparente Kommunikation stand in starkem Kontrast zum Messerangriff in der englischen Küstenstadt Southport im Sommer 2024, bei dem mehrere Kinder getötet wurden. Damals schwieg die Polizei zunächst zum Täter, was Spekulationen anheizte und schließlich zu landesweiten Ausschreitungen und Übergriffen auf Minderheiten führte.
Bisher gibt es keine Details zu möglichen Motiven
Und dennoch bleiben viele Fragen offen. Wie war es möglich, dass der Fahrer so weit vordringen konnte? Warum steuerte er gezielt in eine Menschenmenge? War es ein Unfall oder doch eine bewusste Tat? Die Polizei hat bisher keine Details zu möglichen Motiven oder dem Gesundheitszustand des Festgenommenen veröffentlicht. Auch die Frage, ob Alkohol, Drogen oder psychische Erkrankungen eine Rolle spielten, ist derzeit unbeantwortet.
Die Reaktionen auf das Unglück waren von tiefer Bestürzung geprägt. Premierminister Keir Starmer sprach von erschütternden Szenen. Auch der frühere Trainer des FC-Liverpool, Jürgen Klopp, äußerte sich geschockt. Gleichzeitig wurde deutlich, wie eng die Menschen in der von Einwanderung und Arbeitertradition geprägten Stadt zusammenstehen. Sanitäter berichteten, viele Anwesende hätten noch vor Eintreffen der Rettungskräfte Verletzte versorgt, Hilfe organisiert und versucht, Ruhe zu bewahren. Liverpools Bürgermeister Steve Rotheram betonte, dass es diese Solidarität sei, die die Stadt im Kern ausmachte.
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