Bevor es in der Hermann-Hepper-Halle in Tübingen um Inhalte geht, muss erstmal die Polizei eingreifen. Weil Buhrufe, Pfiffe und Sirenen so laut sind, dass man die beiden Politiker auf der Bühne nur schwer versteht, führen die Beamten zahlreiche Störer aus dem Raum. Danach startet dann die inhaltliche Auseinandersetzung zwischen Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (parteilos) und AfD-Landeschef Markus Frohnmaier. Wie haben sich die beiden Politiker bei der umstrittenen Veranstaltung geschlagen - und wie kam das Streitgespräch rüber?
Palmer versuchte Inhalte der AfD darzustellen
Der Tübinger Oberbürgermeister hatte im Vorfeld angekündigt, die inhaltlichen Schwächen der AfD aufzeigen zu wollen. Bei der Debatte war die Strategie Palmers gut erkennbar. So warf er Frohnmaier etwa vor, dass die AfD mit ihrer Ablehnung erneuerbarer Energien den Tübinger Klimaschutzplan und millionenschwere Investitionen bedrohe. Beim Thema Wohnungsbau stellte Palmer dar, welche Auswirkungen die von der AfD geforderte Abschaffung der Mietpreisbremse für Tübingen hätte.
Zudem versuchte Palmer immer wieder, Frohnmaiers Aussagen etwas entgegenzusetzen. So stellte er etwa auf die Aussage Frohnmaiers, dass Deutschland ein Problem mit der Inneren Sicherheit habe, Zahlen aus der Kriminalstatistik entgegen. So habe die Zahl der Straftaten im vergangenen Jahr bei 5,5 Millionen und im Jahr 2000 bei 6,3 Millionen gelegen. Das gelte auch für die Zahl der schweren Straftaten wie Mord und Totschlag. «Wer vor 20 Jahren keine Angst auf der Straße hatte, der muss es heute auch nicht haben», sagte Palmer.
Aus Sicht des Kommunikationsexperten Frank Brettschneider war Palmer mit seiner Strategie inhaltliche Schwächen aufzuzeigen aber nur teilweise erfolgreich. «Denen, denen er das klargemacht hat mit diesem Gespräch, war es auch schon vorher klar.» Zudem sei Frohnmaier meist ausgewichen und nicht auf die Position in Tübingen eingegangen, sondern habe auf die allgemeine Lage in Deutschland verwiesen, sagt der Professor für Kommunikationswissenschaft, der an der Universität Hohenheim lehrt. «Insofern war das weniger ein Gespräch, sondern sie haben so ein bisschen aneinander vorbeigeredet.»
Frohnmaier macht keine großen Fehler
Für den AfD-Landeschef ist die Veranstaltung aus Sicht des Kommunikationsexperten gut gelaufen. «Es gab zumindest mal keine Punkte, wo man sagen muss: Das hat ihm geschadet», meint Brettschneider.
Dass der AfD-Mann seltener als Palmer auf sein Gegenüber einging und häufiger Statements von sich gab, als auf Fragen Palmers zu antworten, ist aus Sicht Brettschneider ebenfalls kein Minuspunkt für Frohnmaier. Dieser habe gar nicht das Ziel gehabt, Palmer oder andere Menschen im Publikum zu überzeugen, meint der Wissenschaftler. «Ihm ging es darum, seine eigenen Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren und so zu tun, als wäre ein Gespräch mit ihm auch Normalität.»
Beim ersten Themenfeld Meinungsfreiheit kam Frohnmaier auch dank der Störer als gemäßigt und vernünftig rüber. Er sei da, um ins Gespräch zu kommen und halte das für bitter nötig, weil viele Menschen sich nicht mehr trauten, ihre Meinung zu sagen, erklärt der AfD-Landeschef zu Beginn - und wurde dafür minutenlang ausgebuht. Das sei von den Störern kontraproduktiv gewesen, meint Kommunikationsexperte Brettschneider. «Wenn das Ziel derjenigen, die da gestört haben, war, die AfD zu schwächen, dann ist das schiefgegangen.»
Experte hält das Format für das falsche
Einen Sieger der Debatte kann Brettschneider nicht ausmachen. Durch das Gespräch seien eher bereits vorhandene Meinungen bestätigt worden. «Ich habe meine Zweifel, dass jemand seine Meinung ändert oder ins Nachdenken kommt», meint Brettschneider. Es sei richtig gewesen, dass Palmer den Versuch unternommen habe. «Im Nachhinein würde ich sagen, das Format war ungeeignet oder missglückt.» In einem Studio mit einem professionellen Moderator hätten die beiden Politiker besser ins Gespräch kommen können, meint der Kommunikationsexperte.
Die Debatte vor Publikum zu führen und Fragen zuzulassen, sei im Nachhinein nicht so schlau gewesen. Gerade von der AfD-Seite habe es bei den Publikumsfragen oft keine Fragen, sondern eher vorbereitete Statements gegeben, so Brettschneider. «Das bringt ja keinen Erkenntnisgewinn für niemanden - sondern da geht es darum, Stimmung zu machen.»



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