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17-Jähriger vor Gericht: Gewaltserie vor Gericht - Wurde ein Zufallsopfer erschossen?

17-Jähriger vor Gericht

Gewaltserie vor Gericht - Wurde ein Zufallsopfer erschossen?

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    Das Opfer soll nach Überzeugung des mutmaßlichen Schützen der feindlichen Gruppe angehört haben, es hatte aber nichts mit der Fehde zu tun.(Archiv)
    Das Opfer soll nach Überzeugung des mutmaßlichen Schützen der feindlichen Gruppe angehört haben, es hatte aber nichts mit der Fehde zu tun.(Archiv) Foto: Marius Bulling/dpa

    Die beiden Gruppen bekämpfen sich seit Jahren bis aufs Blut. Es werden Handgranaten geworfen, es wird aus fahrenden Autos geschossen, gedroht - und es wird viel geschwiegen. Mehr als 90 mutmaßliche Bandenmitglieder aus dem Raum Stuttgart sind festgenommen worden, fast alle wurden verurteilt, einer sogar zu zwölf Jahren hinter Gittern - aber bis zu jenen Schüssen in einer Göppinger Bar im Oktober kam bei der blutigen Fehde niemand ums Leben. Der mutmaßliche Schütze steht nun vor Gericht - er soll überdies das falsche Opfer erschossen haben.

    Dem damals 17-Jährigen wird Mord und zweifacher versuchter Mord vorgeworfen. Er soll mit einer Maschinenpistole 15 Schüsse auf drei Männer abgegeben haben, als sie an einem späten Oktoberabend in der Bar saßen. Ein 29-Jähriger überlebte einen Schuss in den Hinterkopf nicht. Sein 20 Jahre alter Begleiter wurde in Arme und Brust getroffen, ein 24 Jahre alter Mann schwebte nach Treffern in Arme und Bauch in Lebensgefahr. Erst Monate nach der Tat wurde ein Syrer, der bereits mehrere Jahre in Deutschland lebt, als mutmaßlicher Schütze im Kreis Ludwigsburg festgenommen. Wird er verurteilt, wäre es auch juristisch die folgenschwerste Tat der Gewaltserie.

    Verschlossene Türen und starker Schutz

    Das Stuttgarter Landgericht verhandelt von heute an über den Fall bis mindestens Mitte November - allerdings vor der Jugendkammer und hinter verschlossenen Türen. Da der angeklagte Mann zum Zeitpunkt der Tat 17 Jahre alt war, wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Das schreibt ein Gesetz so vor. «Damit soll insbesondere der Persönlichkeitsschutz des angeklagten Jugendlichen gewahrt und die Durchführung einer jugendadäquaten Verhandlung erleichtert werden», sagte Gerichtssprecher Timur Lutfullin.

    Auch für diesen Prozess gelten am Landgericht strengste Sicherheitsvorkehrungen. Denn bei anderen Verhandlungen zu Fällen, die Teil der Gewaltserie sein sollen, waren zahlreiche Unterstützer aus beiden Gruppierungen zum Gericht gekommen und hatten sich zum Teil auch gegenübergestanden. «Die Verfahren wegen der Auseinandersetzung der beiden Gruppierungen sind mit einem immensen Aufwand verbunden», sagte Lutfullin. Es habe allerdings an den bisher rund 200 Hauptverhandlungstagen zu dieser Fehde keine nennenswerten Zwischenfälle gegeben.

    Hintergrund soll Fehde zweier verfeindeter Gruppen sein

    Hintergrund der Tat in der Bar im Südosten Göppingens ist nach Überzeugung der Ermittler die blutige Fehde der zwei gewaltbereiten Gruppen in der Region Stuttgart. Der 17-Jährige soll laut Staatsanwaltschaft der Gruppierung aus dem Raum Esslingen nahestehen. Er habe in der Bar Mitglieder der anderen Gruppierung aus dem Bereich Stuttgart-Zuffenhausen töten wollen. Das Tragische: Anders als mutmaßlich geplant, waren die drei Männer laut Staatsanwaltschaft Zufallsopfer. Sie standen keiner der beiden Gruppierungen nahe.

    Die Fehde – viele sprechen von einem Bandenkrieg – tobt seit Mitte 2022. Höhepunkt der Auseinandersetzungen war bislang der Anschlag mit einer Handgranate auf eine Trauergemeinde in Altbach (Kreis Esslingen). Dort hatte ein Mann eine Granate auf eine Trauergemeinschaft geworfen. Ein Ast hatte den Flug der Handgranate abgelenkt und so vermutlich viele Tote verhindert. Dennoch wurden mindestens 15 Menschen verletzt. Der Werfer, ein Iraner, wurde Anfang März unter anderem wegen 15-fachen versuchten Mordes zu zwölf Jahren Haft verurteilt.

    Hunderte Unterstützer

    Nach einer früheren Schätzung des Landeskriminalamts gehörten den Gruppen einst mehr als 500 junge Menschen als Unterstützer, Mitläufer oder auch Führungsleute an. Die Motive hinter der Bandenkriminalität sind weiterhin schwer fassbar und von den Tatverdächtigen ist kaum ein Entgegenkommen zu erwarten. Fast immer herrscht eisernes Schweigen auf der Anklagebank.

    Aus Sicht des Landeskriminalamts handelt es sich bei den Gruppen nicht um familiäre Clans. Die Ermittler gehen auch nicht von einer klassischen Bandenkriminalität aus, sondern von einem neuen Phänomen. Demnach eskaliert die Gewalt zumeist nach wechselseitigen Ehrverletzungen, es geht um territoriale Machtansprüche und das Motto «Crime as a Lifestyle» («Verbrechen als Lebensstil»), mit dem sich viele laut LKA stark identifizieren.

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