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Zwischen Liebe und Verzweiflung

Heuwang

Zwischen Liebe und Verzweiflung

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    Als Aljoscha vier Jahre alt war, verlernte er das Sprechen. Es folgten in immer kürzeren Abständen epileptische Anfälle. Er verlor jegliches Angstgefühl. Für seine Eltern, die vor 14 Jahren nach Heuwang bei Unterthingau gezogen sind, begann eine Zeit der Höhen und Tiefen. Ein Marathon, wie seine Mutter Manuela Kuffner sagt, von Arzt zu Arzt, von Krankenhaus zu Krankenhaus, von Medikament zu Medikament. Dies geschah vor fast acht Jahren. Wie die Familie, zu der ein14 Monate älterer Bruder Aljoschas zählt, diese Jahre mit dem behinderten Kind erlebt hat, wie die Krankheit das Leben der Familie auf den Kopf stellte, hat seine Mutter nun in einem Buch beschrieben, das sie in diesen Tagen unter dem Titel "Aljoscha" veröffentlicht.

    Seltene Form der Epilepsie

    Sieben Jahre ist es her, als die Ärzte in der Münchener Kinderklinik die Diagnose Landau-Kleffner Syndrom bei dem Buben stellten. Seitdem kämpfen Vater, Mutter und Bruder jeden Tag um den Jüngsten der Familie. Seine Mutter Manuela Kuffner erzählt: "Alles ging von einem Extrem zum Nächsten. Die Zeit des Ausprobierens von Medikamenten und Therapien begann." Denn das Landau-Kleffner-Syndrom ist eine seltene, eine wenig erforschte Epilepsie im Sprachzentrum.

    Wer konnte diesem Kind, das jetzt elf Jahre alt ist, helfen? Ärzte, Heilpraktiker, Gesundbeter - alle Möglichkeiten versuchten die Eltern. Der Junge litt. Er litt nicht nur an seinen Anfällen, sondern an seiner Unruhe. Wie oft lief er weg. Wie oft verzweifelten seine Eltern bei der Suche nach ihm? "Wir hatten jede Woche, ja jeden Tag ein anderes Kind", sagt seine mitgenommene Mutter.

    Brüllend, schlagend, tretend ging er auf die Familie los. Dann wieder kam eine Zeit der Absencen. Starr richtete er die Augen zur Decke. Der Familie blieb keine Zeit, Kräfte zu sammeln.

    In ihrem Buch versucht die Mutter, anderen Menschen über diese alle Kräfte zehrende Situation zu erzählen. Der nächste Abgrund war immer schon da. Sie erzählt aber auch von der großen Liebe zu Aljoscha, der nichts davon weiß, was erlaubt ist und was nicht. Der sich - weil er keine Angst kennt - den Zehen abhackt, der von einer Kreuzotter gebissen wird, der mit dem Fahrrad fährt, ohne nach links und nach rechts zu sehen.

    Verständnis vermisst

    Nicht immer findet das Verständnis bei den Mitmenschen. Es gab Tage, so sagt die Mutter, da war sie wütend über so wenig Verständnis und über die Vorschläge, den Jungen in ein Heim zu geben.

    Aljoscha soll zu Hause leben. In einer Gehörlosenklasse in Ursberg geht er zur Schule. Jeden Tag wird er hin- und zurückgebracht. Und jetzt, wenn er in die Pubertät kommt, schöpfen seine Eltern Hoffnung auf Besserung. Denn in diesem Alter, so heißt es, könnte die Epilepsie zum Stillstand kommen. Nachdem nichts geholfen hat - nicht einmal die große Kopfoperation 2004 - soll jetzt die Zeit Heilung bringen.

    "Es gibt immer noch schlechte Tage", sagt Manuela Kuffner, deren Ehe dieser schwierigen Situation nicht standgehalten hat. Aber die guten Tage, an denen ein lustiges "bababa" von Aljoscha durchs Haus drängen, überwögen. Die Lehrer sagten, Aljoscha könne jetzt, da er ruhiger geworden ist, lernen. Ein Drittel der betroffenen Kinder wird gesund.

    Mit Hilfe eines Sprachcomputers prägt sich der Junge jetzt Worte ein, kann auf die beschriebenen Dinge deuten. Er beherrscht die Gebärdensprache und kann sich so mit seinen Mitschülern, Lehrern und der Familie ein wenig verständigen. Ob er je sprechen kann? Ob er einen Beruf erlernen kann? Fragen, denen sich die Familie mit viel Hoffnung zuwendet. "Aljoscha war immer auf der Flucht. Vielleicht beginnt jetzt seine Zeit des Ankommens", schreibt Manuela Kuffner in ihrem Buch.

    Erhältlich ist das Buch "Aljoscha" bei der Buchhandlung Glas in Marktoberdorf oder online im Internet unter www.ichbinaljoscha.de

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