Von Brigitta Wenninger Legau - 'Ich bin so froh, hier zu sein', sagt Christine Weckerle. Und fügt hinzu: 'Ich weiß nicht, was sonst aus mir geworden wäre.' Der 'Lindengarten' bedeutet der 24-Jährigen viel. Seit etwa sechs Jahren lebt die junge Frau in der Legauer Einrichtung, in der vorwiegend lernbehinderte und leicht geistig behinderte Menschen zusammen mit Betreuern wohnen und arbeiten. Die kulturpädagogische Arbeitsgemeinschaft Lindengarten ist immer mehr gewachsen, die Verbindung zu Legau immer enger geworden. In ein paar Monaten startet das neueste Projekt: das Wohntraining. Aus der Küche des jahrhundertealten Bauernhofes in Hummels dringen leise Geräusche. Ein Teil der Lindengarten-Bewohner bereitet das Mittagessen vor. Sie waschen und schneiden das Gemüse, dass sie selbst geerntet haben. Vor dem renovierten Anwesen ist es ruhig. Harmonisch und friedlich schmiegt sich der Hof in die Landschaft. Zur Ruhe kommen, den eigenen Weg finden - das sollen Jugendlichen und junge Erwachsenen im Lindengarten. 'Werde, der Du bist', lautet ein Grundgedanke des Konzepts. Die Ideen Rudolf Steiners, der die Lehre der Anthroposophie begründet hat, spielen dabei eine wesentliche Rolle. Begonnen hatte alles mit einem Traum. Studenten planten im Allgäu ein ungewöhnliches Projekt: Eine Einrichtung für Menschen in Not, in der Kultur Impulse geben sollte. 1988 kaufte die Gruppe den Hof in Hummels. 'Eine Ruine', erinnert sich der Sozialtherapeut Klaus Krämer. Während der Renovierungsphase entwickelten sich die Pläne weiter. Irgendwann war klar: Der Lindengarten wird eine Einrichtung für Behinderte: 'Und ein Ort für Kulturveranstaltungen', so Krämer.
1992 bezogen die ersten Betreuten den Lindengarten-Hof. Mitterweile gibt es dort zehn Plätze für Teilnehmer im Alter von 17 bis 27 Jahren. Ihr Alltag besteht aus dem Zusammenspiel von Kunst, Therapie, Arbeit und Lernen. Sie können in Hauswirtschaft, Weberei, Schreinerei oder Gartenbau mitarbeiten. Zwei bis drei Jahre dauert die sozialtherapeutische Berufsvorbereitung in Hummels. 'Die Bewohner sollen herausfinden, was sie können; lernen, ihre Behinderung anzunehmen, selbstständiger werden', erklärt Lindengarten-Mitarbeiter Christian Müller. Danach müssen die Betreuten den Lindengarten nicht verlassen. Das Konzept biete ihnen die Möglichkeit, einen weiteren, betreuten Schritt in Richtung Selbstständigkeit zu machen, so Müller. Seit 1997 gehört zur Einrichtung der Gasthof Kreuz in Legau. In ihm ist eine 'integrierte Wohngruppe' untergebracht. Eine weitere wurde 1999 in einem Bauernhof gegründet. Wie in Wohngemeinschaften leben in den Gruppen jeweils etwa acht junge Erwachsene mit Betreuern. Müller lobt, dass der Lindengarten inzwischen eng mit Legauer Einwohnern und Betrieben vernetzt sei. 'Es gibt viel Unterstützung und tolle Kontakte', so der Lindengarten-Mitarbeiter. Etwa zur Bauerngemeinschaft Illerwinkel, die ihre Produkte im Gasthof Kreuz vertreibt. Auch über diese Schiene würden immer wieder therapeutische Arbeitsplätze für die Lindengarten-Bewohner angeboten. Christine Weckerle etwa arbeitet begeistert in einem Bauernhof mit: 'Ich helfe in der Küche und im Garten. Es macht mir großen Spaß.' Die neuesten Pläne des Lindengartens werden auch ihr eine weitere Perspektive bieten: das 'integrative Wohntraining'. In Apartments sollen Behinderte lernen, einen Haushalt zu führen und eigenständig zu wohnen. Die ersten beiden Wohnungen, ebenfalls im Gasthof Kreuz, sollen im November bezogen werden.